Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Tipsiles und die Erfindung des Schießpulvers
Geschichte Wie der Mann mit dem grünen Turban die Stadt Augsburg vor Feinden gerettet haben soll / Serie (49)
Augsburg Das Schießpulver haben angeblich die Chinesen erfunden. Dass die Wahrheit vielmehr auf der anderen Seite der Welt, in Augsburg, zu finden ist, lässt sich vermuten, wenn man sich fragt, woher das Pulvergäßchen seinen Namen hat. Paul von Stetten, der letzte Stadtpfleger der Stadt Augsburg, berichtete bereits 1779, dass ein Jude namens Tipsiles im Jahr 1353 das Pulver erfunden habe.
Aber wer war jener Jude Tipsiles? Der Jüdisch-Historische Verein hat die Legende zusammengetragen: Anfang des 14. Jahrhunderts habe ein fremdartiger Neubürger schon durch sein äußeres Erscheinungsbild Aufsehen in Augsburg erregt. Einen grünen Turban habe er getragen, dazu einen wuchtigen Bart. Sein finster dreinblickender Diener sei ihm niemals von der Seite gewichen. Und nachts habe der Mann nicht nur den Himmel beobachtet, sondern auch noch Blitze heraufbeschworen. Unter den Bürgern ging das Gerücht herum, hier müsse es sich um einen Hexer handeln, und man entschied sich zur Anzeige. Der Rat der Stadt aber hatte andere Probleme, Augsburg wurde gerade von Feinden bedroht. Und so handelte man schwäbisch-pragmatisch: Man könne ja „den gelehrten Fremden in seinem Dachstüblein einmal befragen, ob der nicht Hilfe in solcher Not wüßt“, wie es Journalist und Lokalhistoriker August Vetter (1862-1923) im Feuilleton in der „Neuen Augsburger Zeitung“formulierte.
Als man den Unbekannten daraufhin fragte, mischte der sogleich ein paar Pulver zusammen, trat ans Fenster, legte einen Stein auf das Gemisch und entzündete es. Es kam zur Explosion und einigem Schreck bei den Ratsherren. Als sich der Rauch verzogen hatte, wies draußen die blecherne Wetterfahne ein großes Loch auf. Mit dieser Waffe rettete der Fremde mit dem Namen Tipsiles Augsburg angeblich aus der Belagerung und zum Dank spendierte die Stadt ihrem Retter in der Not ein Grundstück in der Jakobervorstadt. Aus dieser Zeit könnte also der Name Pulvergäßchen stammen.
Das Stadtlexikon hat eine weniger spektakuläre Anekdote zu der kleinen Straße zu erzählen. Nachweislich stand dort im 16. Jahrhundert eine Pulvermühle zur Deckung des städtischen Pulverbedarfs. Da diese aber im Lauf der Zeit einige Male explodierte, verlagerte man die Schwarzpulverproduktion 1745 vor die Grenzen der Stadt. Mehr sei an diesem Ort damals nicht gewesen.
Ob Tipsiles nun tatsächlich als Erfinder des Schwarzpulvers zu bezeichnen und Augsburg Zeuge ist, oder ob es nicht doch die Chinesen waren, bleibt weiter offen. Historisch gesehen gibt es ohnehin noch viele Anwärter auf diese Erfindung. Für- und Widersprecher findet man unter den Historikern für alle der Theorien. Manches aber bleibt vermutlich für immer im Pulverdampf der Jahrhunderte verborgen.