Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Kaufhaus mit den Fugger Wappen
Augsburg im Wandel Die einstige Fugger’sche Konzernzentrale lag am Rindermarkt. Gotische Baureste sind in der Fuggerei erhalten geblieben
Augsburg Im Februar 2002 schloss das Modehaus Kröll & Nill zwischen Annastraße und Philippine-WelserStraße. Karstadt Sport zog in das große Gebäude ein. 2007 war die „sportliche“Nutzung beendet, ein Umbau folgte. Der Geschäftsname an den Eingängen wechselte seither mehrmals. Am 2. Mai 2014 eröffnete auf den 2900 Quadratmetern in drei Etagen der „Off-Price Retailer“TK Maxx seine 67. Filiale.
Diese jüngsten Abschnitte der Hausgeschichte fehlen auf der steinernen „Historienplatte“neben dem Eingang an der Annastraße. Auf dieser Schrifttafel wird erläutert, was es mit dem prächtigen Fugger-Wappen über den Eingängen auf sich hat: Auf dem Areal zwischen Annastraße und Phlippine-Welser-Straße befand sich vor über einem halben Jahrtausend die Fugger’sche Konzernzentrale.
Anno 1488 hatte Ulrich Fugger ein stattliches Anwesen am Rindermarkt gekauft. Bis 1448 fand hier der Großviehmarkt statt, daran anschließend der Heumarkt. 1837 wurde aus dem „Rindermarkt“und dem „Alten Heumarkt“die Philippine-Welser-Straße. Auf dem einstigen Heumarkt steht das Fuggerdenkmal, und der Platz, an dem das Maximilianmuseum liegt, heißt seit 2009 Fuggerplatz.
Georg und Ulrich Fugger ließen ihren Gebäudekomplex am Rindermarkt zwischen 1490 und 1495 erweitern und umbauen. Er diente ihnen sowohl als Wohn- und Bürohaus wie auch als Lager- und Versandhaus. Das „Chefbüro“, der kostbaren Ausstattung wegen „Goldene Schreibstube“genannt, lag an der Nordseite des Gebäudes. Ein zierlicher Erker gestattete den Blick in das daran vorbeiführende Mettlochgässchen.
Um 1512/15 verlegte Jakob Fugger der Reiche die Zentrale des Fugger’schen Handelskonzerns in einen großzügigen Bautenkomplex am Weinmarkt. So hieß bis 1806 die heutige Maximilianstraße zwischen Herkulesbrunnen und Merkurbrunen. Das Anwesen entlang des Mettlochgässchens verblieb bis 1767 in Fugger-Eigentum. 1897 erwarb Konrad Nill das Areal. Er war Besitzer der 1874 gegründeten TextilAusstattungsfirma Kröll & Nill. Er engagierte 1899 Jean Keller, den Architekten des Gögginger Kurhauses, für einen Totalumbau. Jean Keller verband historische Bausubstanz mit Neuem unter Verwen- dung von viel Eisen und Glas. Er bezog den vormaligen Hof zwischen zwei Gebäuden mit den Resten eines spätgotischen Arkadenganges und weitere alte Bauteile mit ein. So entstand ein langer doppelstöckiger Ost-West-Ladentrakt unter einem hohen gewölbten Glasdach im Stil einer lichtdurchfluteten Passage. An der Annastraße und an der Philippine-Welser-Straße setzte Jean Keller neugotische Fassaden davor. In diese fügte er als repräsentative Eingänge um 1495 entstandene spätgotische steinerne Türbogen mit den Fuggerwappen ein. Sie sind noch erhalten.
Im Inneren gab es nach dem Umbau von Säulen getragene Kreuzgewölbe. Erhalten blieben 1899 in den oberen Stockwerken kassettierte Holzplafonds aus der Frührenaissance, spätgotische Türen und Bogen, ebenso die einstige Fugger’sche Hauskapelle. Am 15. Mai 1900 fand die Eröffnung des sofort für Bewunderung sorgenden Geschäftshauses statt.
Bauherr Conrad Nill war sich der Werbewirksamkeit seines „Spezialhauses“bewusst und lud zum „Besuch ohne jeglichen Kaufzwang“ein. Die Besucher sollten natürlich nicht nur die Architektur bewundern, sondern sich vom Angebot verführen lassen. Das breite Sortiment reichte von feinen Textilien und „Nouveautés in Damenblusen“über Brautausstattungen bis zur Hoteleinrichtung. Auch Teppiche, Vorhänge, Tapeten und vieles mehr für die Wohnung gab es ab anno 1900 bei Kröll & Nill im halb neuen, halb historischen Geschäftshaus.
Der Zeitgeschmack wandelte sich. 1935 begann bei Kröll & Nill der Umbau im Inneren. Die Modernisierung der Fassaden schloss sich an. Nur wenige Jahre konnte das umgestaltete Geschäftshaus genutzt werden. In der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 versank es in Schutt und Asche. Auf den Trümmern lag das herabgestürzte eiserne Gerippe der verglasten Dachkonstruktion.
Der Fugger’sche „Wiederaufbau-Architekt“Raimund Freiherr von Doblhoff ließ mit Zustimmung der Eigentümer aus dem zerstörten einstigen Fuggerhaus historische Relikte bergen. Er fügte spätgotische Türen und Bogen in das neue Verwaltungsgebäude der Fuggerei an der Jakoberstraße ein. Auch den originalen Schlussstein der Goldenen Schreibstube fand der Architekt unversehrt in den Trümmern am Mettlochgässchen. Er befindet sich jetzt im Kaminzimmer des Senioratsgebäudes der Fuggerei.
Nachdem 1947 das Ruinengrundstück geräumt war, erbauten Otto und Hugo Nill zwischen Annastraße und Philippine-Welser-Straße ein Geschäftshaus „neuzeitlichen Gesichtspunkten und modernen Anforderungen entsprechend, wobei der Harmonie des Stadtbildes Rechnung getragen wurde“. So schrieben sie nach der Eröffnung des Neubaus. Als Reminiszenz an die Historie des Areals integrierten sie die Fuggerwappen über den Eingangsportalen.
Das 1874 gegründete Unternehmen besteht mit der Teppich-Galerie Kröll & Nill in der Zeuggasse an anderer Stelle weiter.
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Wer frühere Folgen des Augsburg Albums nachlesen will, kann das unter www.augsburger allgemeine.de/ augsburg album tun