Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der PR Stratege mit der Kuh Krawatte
Karrieren Ein Video von 1997 zeigt den 18-jährigen Christian Lindner als Jungunternehmer. Ein denkwürdiges Filmchen
Augsburg Es war einmal ein Wunderkind. Anfang der 90er Jahre kam man an einem smarten 16-Jährigen nicht vorbei. Der Teenager baute ein Unternehmen auf, das mit PCKomponenten aus Asien handelte. Schon im ersten Geschäftsjahr dirigierte Lars Windhorst über 70 Mitarbeiter, die 1994 mehr als 45 Millionen Euro erwirtschafteten. Windhorst erlangte weltweite Berühmtheit und wurde in den Medien wie ein Einhorn präsentiert.
Dieser Senkrechtstarter dürfte einem drei Jahre jüngeren Schüler aus Wermelskirchen bei Köln mächtig imponiert haben: Christian Lindner. Das lässt ein köstliches Filmchen aus dem Jahr 1997 vermuten, das Stern TV wiederentdeckt hat. Mit ironischem Unterton kündigt der Moderator des Jugendmagazins „100 Grad“(Deutsche Welle) einen Beitrag über zwei Gymnasiasten an, die PR-Konzepte für Unternehmen entwerfen und verkaufen. Die beiden, so witzelt der Moderator, würden aussehen wie „Titelblattmodels“vom manager magazin. Damit allerdings liegt er voll daneben.
Denn der Clip ist eher unfreiwillig komisch. Drei Minuten präsentieren sich der 18-jährige Lindner und sein Klassenkamerad als aalglatte Unternehmer. Kein Klischee fehlt: Anzug, Aktenkoffer, Mercedes Benz mit Prolo-Felgen. Seriös sieht anders aus. Das alles wird garniert mit ein bisschen Philosophie zum Mitklatschen. Es fallen Sätze wie „Probleme sind nur dornige Chancen“, da wird von „Kompetenz“schwadroniert, die „nicht akademisch domestiziert“sei.
Und das Abi? Schließlich standen die PR-Berater kurz vor dem Abschluss. Die Schule müsse man eben „absitzen“, obwohl diese Zeit mit Kundenbesuchen besser ausgefüllt wäre, wie Lindner großspurig bedauert. Ob die Firma floriert, bleibt im Dunklen. Eines immerhin wirkt nicht gespielt in diesem ungelenken Kurzfilm: Lindner war schon damals energiegeladen, vom Willen bewegt, nach oben zu kommen. Und das hat der heute 38-Jährige geschafft. Nicht in der Wirtschaft, aber in der Politik. Als One-ManShow der FDP, als Parteichef und eloquenter Spitzenkandidat.
Horst Windhorst, der ja als Unternehmer ganz anders durchstartete, hat zwei Insolvenzen hinter sich. Heute kämpft er sich mühsam durchs Geschäftsleben. In den Medien taucht er meist nur noch in der Rubrik „Was macht eigentlich...“auf. Christian Lindner wird längst als Minister gehandelt.