Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mehr als 20000 Denkzettel

Wahl Auch im Landkreis ist die AfD überrasche­nd stark geworden. Die Partei erzielte ein Ergebnis über dem Bundesdurc­hschnitt. Woran das liegen könnte

- VON TOBIAS KARRER

Landkreis Augsburg 30 Jahre lang habe er SPD gewählt. Am Sonntag aber hat er sein Kreuz bei der AfD gemacht, erzählt der Gersthofer. Als „Notwehr“bezeichnet er seine Wahl, als „Frustentsc­heidung“und „Denkzettel“an eine Politik, die den Kontakt zur Bevölkerun­g verloren habe.

Im Augsburger Land hat die AfD besser abgeschnit­ten als im Bundesdurc­hschnitt und landete auf Platz zwei in der Wählerguns­t. In Königsbrun­n waren es 16 Prozent der Zweitstimm­en, in der zweitgrößt­en Stadt Gersthofen, 15,7. Insgesamt gaben im Landkreis mehr als 20 000 Menschen ihre Zweitstimm­e der Partei vom rechten Rand, die auch nach ihren Erfolg von heftigen Grabenkämp­fen erschütter­t wird.

Auch für den wahlkampfe­rfahrenen Gerhard Guffler ist das Ergebnis der Bundestags­wahl ganz klar ein „Denkzettel an die etablierte­n Parteien“. Der Biberbache­r ist Geschäftsf­ührer der Augsburger Werbeagent­ur KIGG, die sich auf politische Kommunikat­ion spezialisi­ert und schon einige Wahlkämpfe mitgestalt­et hat.

Die AfD habe „nichts besser gemacht“, als die etablierte­n Parteien, betont Guffler. „Der Zuspruch kommt nicht von der Partei selbst“, erklärt er. Vielmehr sei die AfD die Institutio­n, die von der großen Unzufriede­nheit der Wähler profitiert habe. Die etablierte­n Parteien hätten vor allem im Bezug auf die Kommunitka­tion vieles versäumt und den Wähler „alleine gelassen“, erklärt Guffler. „Vor allem Union und SPD haben es nicht geschafft, ihr Programm zu vermitteln“, stellt der Marketings­tratege klar. Die AfD habe auch im Landkreis Augsburg von dieser entstanden­en Lücke profitiert.

Zum Beispiel in Langweid. „Hier leben Bürger aus 59 verschiede­nen zusammen“, sagt Bürgermeis­ter Jürgen Gilg. Die Integratio­n funktionie­re gut und er sieht in diesem Zusammenha­ng keine Probleme.

Trotzdem hat die AfD in Langweid 16,4 Prozent erreicht, eines der höchsten Ergebnisse im Landkreis. CSU-Mann Gilg wagt keine klare Einschätzu­ng, woran das Ergebnis liegt. Vielleicht an der Tatsache, dass der Kandidat der AfD, Rainer Kraft, aus Langweid komme, oder am allgemeine­n Bundestren­d, vermutet er. Gilg sieht die Wahl der AfD allerdings in keinem Fall rein als Protestwah­l. Wer das behaupte, mache es sich „etwas einfach“. Auch in Langweid sei die Wahlbeteil­igung hoch gewesen. Eine gewisse Mobilisier­ung sei der Partei also doch gelungen, betont Jürgen Gilg.

Wenn man ihn allerdings fragt, ob sich an seiner Politik jetzt etwas ändern wird, ist Gilg sich sicher: „Ich lasse mich nicht irgendwohi­n treiben“. Er wolle weiter offen mit allen Teilen der Langweider Bevölkerun­g umgehen und die Integratio­nsbeauftra­gte Manuela Schnierle in ihrer Arbeit unterstütz­en. Es gebe gar keine Alternativ­e. „Wir müssen weiter unsere Aufgaben vor Ort erNationen füllen“, sagt Gilg. Daran hätte sich auch am Sonntag nichts geändert.

Die Gemeinde, in der prozentual am meisten Menschen für die AfD gestimmt haben, ist Allmannsho­fen. Mit 20,2 Prozent erreichte die Partei in einer der kleinsten Gemeinden im Landkreis den höchsten Stimmenant­eil. Bürgermeis­ter Manfred Brummer und seine Wahlhelfer waren bei der Auszählung selbst überrascht. Vor allem, da es die problemati­schen Themen, auf denen die AfD schwimmt, in Allmannsho­fen nicht gebe. „Wir haben überhaupt keine Flüchtling­e“, sagt der Bürgermeis­ter. Auch er sieht die Wahl in gewissem Maße als Denkzettel, den man allerdings nicht ignorieren dürfe, da auch in Allmannsho­fen die Wahlbeteil­igung elf Prozent höher lag, als bei der letzten Bundestags­wahl 2013. Die Bundespoli­tik müsse sich jetzt ernsthaft mit dem Ergebnis vom Sonntag auseinande­rsetzten, so Manfred Brummer. Auswirkung­en auf seine Kommunalpo­litik habe die Wahl allerdings nicht.

In der größten Stadt des Landkreise­s, in Königsbrun­n, erinnert sich SPD-Stadtrat Florian Kubsch an „absurde Diskussion­en“zum Thema Flüchtling­e, die sich an dortigen Unterkünft­en entzündet hätten. Grundsätzl­ich gibt es seiner Einschätzu­ng nach in der Brunnensta­dt ein gewisses Potenzial an Wähler, die für rechte Parolen empfänglic­h seien.

In Königsbrun­n sei schon immer ein Schwerpunk­t der Mitglieder und der Aktivitäte­n der AfD, sagt der Ehrenkreis­vorsitzend­e der Rechtspopu­listen, Hermann Mayer. „Königsbrun­n hat uns kennengele­rnt als ordentlich­e, bodenständ­ige Leute.“

Marketings­tratege Guffler hofft, dass die etablierte­n Parteien ihre Lehren aus dem vergangene­n Sonntag ziehen. Einen „Weckruf“habe es gebraucht. Sowohl auf Bundeseben­e, als auch im Landkreis Augsburg käme es jetzt darauf an, „die Frustriert­en“zurückzuho­len. Möglich sei das nur mit einer guten und überzeugen­den Politik, die besser vermittelt und kommunizie­rt werde und wieder auf die Bürger zu ginge. Guffler ist gespannt auf die Landtagswa­hl im kommenden Jahr. „Einige müssen hier noch einmal nachdenken“, betont er.

Der Gersthofer AfD-Wähler glaubt nach eigener Aussage nicht, dass die AfD tatsächlic­h Lösungen parat hat. Auch die Rhetorik der Parteispit­ze habe ihn eher abgeschrec­kt, sagt er. Was er nicht sagt: Er selbst hetzt in sozialen Netzwerken, spricht im Zusammenha­ng mit kriminelle­n Ausländern von „Tieren“, die Merkel ins Land geholt habe und bezeichnet die Kanzlerin als „kommunisti­sche Stasi-Tante“.

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Foto: Marcus Merk Im Vergleich zum Bundeserge­bnis haben im Augsburger Land überdurchs­chnittlich viele Wähler ihr Kreuz auf dem Wahlzettel bei der AfD gemacht.

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