Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Lesung einer Stummen
Beeindruckend Rebecca Klein ist Autistin und Autorin. Drei Frauen geben ihr in der Horgauer Bücherei eine Stimme. Was sie fühlt
Horgau Zu einem beeindruckenden Erlebnis ist eine Veranstaltung der Bücherei in Horgau geworden: Die Lesung einer stummen Autorin. Gespannte Stille und konzentrierte Aufmerksamkeit herrschten in der voll besetzten Bücherei, als sehr bewegende Texte der Autistin Rebecca Klein vorgetragen wurden. Ihre Stimme, so Susanne Kreidenweis vom Leitungsteam der Bücherei, seien dabei ihre drei Assistentinnen Christine Aichinger, Sharina Deaver und Sabine Müller.
Mit ihrem Autismus lebt Rebecca Kleins schon seit ihrem ersten Lebensjahr. Sie ist schwerstbehindert und benötigt eine Assistenzpflege. Mit 14 Jahren begann sie mithilfe der „gestützten Kommunikation“jene Gedanken, die sie bewegten, aufzuschreiben. Mit 16 Jahren entdeckte die Mutter bei Ihrer Tochter das dichterische Talent, das sie fortan förderte. Seit 17 Jahren finden Lesungen der jetzt 37-jährigen Rebecca statt, in denen sie tiefe Einblicke in ihr „Lebenslabyrinth“gibt. Im gleichnamigen Text schildert sie, dass sie „Teil eines großen göttlichen Plans“ist, der sie „trotz aller schmerzvollen Irrwege begleitet.“
In dem Gedicht „Trauminsel“nimmt sie Bezug zu der Initiative ihrer Mutter, die den Verein „Trauminsel“ins Leben rief, der es sich zum Ziel setzt, schwerstbehinderten Menschen das Leben in einer eigenen Wohnung zu ermöglichen. Rebecca möchte „ihr Nest mit Seelenverwandten“teilen und appelliert an die Entscheidungsträger, das Projekt „Trauminsel“möglich zu machen. Die Lesung fand nur wenige Stunden vor dem Bürgerentscheid in Horgau über das neue Wohngebiet an der Greuter Straße statt, wo sie die „Trauminsel“eine Heimat erhofft. 79 Prozent der Horgauer hatten sich am Sonntag für das neue Wohnquartier ausgesprochen.
Dass sie sich innerhalb ihrer eingeschlossenen Welt ständig in einer Dialektik bewegt, kommt in „Bergund Talfahrt“zum Ausdruck, so in den Zeilen: „Um Hölle zu entkommen, muss mir Himmel ausdenken, um Güte zu spüren, muss hassen aushalten, um Hilfe zu bekommen, muss Hilflossein zugeben.“
Diese sehr offene Darstellung ihres Innenlebens löste unter den Zuhörern deutliche Betroffenheit aus. Verstärkt wurde diese Stimmung durch das eindrucksvolle Harfenspiel von Josefine Dornhöfer. Dass Rebecca ihre Existenz aber nicht nur von der negativen Seite aus betrachtet, sondern auch durchaus eine optimistische Haltung aufweist, zeigt sie in „Tanzendes Glück“, wenn sie schreibt: „Das Glück ist immer nahe, wenn ich es einlade“und das Gesumme daraus: „Glückliche Autistin Rebecca Klein“.
Wenn die Autistin, wie sie selbst es sieht, „in sich beheimatet ist“, so findet sie doch in ihren Gedichten einen Weg, mit den Mitmenschen zu kommunizieren und ihnen ihre Gefühlswelt mitzuteilen, um dann letztendlich in ihrem Gedicht „Labyrinth“das Fazit zu ziehen: „Am Ende ist alles gut“.