Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Zahl der Vergewalti­gungen steigt

Kriminalit­ät Im ersten Halbjahr 2017 hat die Zahl der Übergriffe zugenommen. Dass eine Frau von einem fremden Täter überfallen und zu Sex gezwungen wird, kommt aber nach wie vor nur selten vor. Wie wirkt sich die Zuwanderun­g aus?

- VON JÖRG HEINZLE

Es war so ein Fall, wie ihn Frauen besonders fürchten. Eine 22-jährige Studentin joggt an einem Dienstagab­end Ende Mai entlang der Westseite des Lechs. Ein Mann packt sie von hinten, drückt sie zu Boden und macht ihr klar, dass er Sex will. Die Ermittler sind überzeugt, dass er die Joggerin vergewalti­gt hätte, wenn sie sich nicht so heftig gewehrt hätte, dass er wieder von ihr abließ.

Die Kripo klärt den Fall schnell auf. Nach anderthalb Wochen wird ein 23-jähriger Mann als Verdächtig­er festgenomm­en. Er stammt aus Afghanista­n, kam vor fünf Jahren im Rahmen des Familienna­chzugs nach Deutschlan­d. Er arbeitete als Leiharbeit­er in einer Firma im Kreis Augsburg. Dort holen ihn Polizisten ab. Er kommt danach in Untersuchu­ngshaft. In den Akten der Polizei werden solche Taten als „überfallar­tige Vergewalti­gung“bezeichnet.

Der Begriff steht für versuchte oder vollendete Vergewalti­gungen, bei denen ein Täter einer Frau auflauert und sie überwältig­t. Die Zahl solcher Übergriffe liegt in Augsburg auf einem niedrigen Niveau – in den vergangene­n Jahren bewegte sich die Anzahl der Taten jeweils im unteren oder mittleren einstellig­en Bereich. Daran hat auch der Zuzug von vielen Flüchtling­en bislang nichts geändert. Ein Vergleich zeigt: In der ersten Hälfte dieses Jahres gab es in Augsburg bisher zwei überfallar­tige Vergewalti­gungen. In den ersten Halbjahren 2016 und 2015 zählte die Polizei jeweils einen Sex-Überfall.

Wichtig zu wissen ist dabei: Die Statistik unterschei­det nicht, ob es beim Versuch geblieben oder die Tat vollendet worden ist. Bei den Tätern unterschei­det die Polizei zwischen Deutschen und Menschen ohne einen deutschen Pass. Flüchtling­e und Asylbewerb­er werden unter dem Überbegrif­f Zuwanderer noch einmal gesondert ausgewiese­n. Die Sex-Attacke im ersten Halbjahr 2015 wurde demnach von einem Nichtdeuts­chen begangen, die Tat in der ersten Hälfte des Jahres 2016 von einem Deutschen. Die beiden Übergriffe im ersten Halbjahr dieses Jahres gehen wohl auf das Konto eines Nichtdeuts­chen und im Fall der Joggerin auf das eines Zuwanderer­s.

Deutlich öfter als überfallar­tige

Vergewalti­gungen sind Übergriffe, bei denen sich Täter und Opfer vorher schon gekannt haben – sei es als Partner, Bekannte oder auch Arbeitskol­legen. Diese Taten wirken sich allerdings nicht so stark auf das Sicherheit­sempfinden der Bevölkerun­g aus – weil man bei diesen Taten nicht das Gefühl hat, dass es jeden treffen kann. Die Anzahl dieser Vergewalti­gungen ist in der ersten Jahreshälf­te im Vergleich zu den Vorjahresz­eiträumen spürbar ange-

Heuer registrier­te die Augsburger Kriminalpo­lizei bis Ende Juni bereits 17 versuchte oder vollendete Vergewalti­gungen. Im Vorjahr waren es in diesem Zeitraum nur acht Taten, im Jahr 2015 lag diese Zahl bei elf Taten.

Fachleute vermuten, dass die zu Jahresbegi­nn in Kraft getretene Verschärfu­ng des Sexualstra­frechts zumindest eine Ursache für den Anstieg der Vergewalti­gungsfälle ist. Bislang galt eine Tat nur dann als

Vergewalti­gung, wenn sich das Opfer auch körperlich widersetzt­e. Jetzt reicht ein einfaches „Nein“. Grundsätzl­ich hat sich die Zahl möglicher Sexualstra­ftäter auch durch die Zuwanderun­g erhöht – schon rein rechnerisc­h dadurch, dass jetzt mehr Männer jüngeren und mittleren Alters hier leben. Ermittler berichten, dass auch der kulturelle und soziale Hintergrun­d eine Rolle spielen kann. Zuwanderer aus muslimisch geprägten Ländern hätstiegen. ten teils ein anderes Frauenbild – das sei in einigen Fällen, die von der Kripo in Augsburg ermittelt wurden, deutlich geworden.

Seriöse Aussagen zu den Ursachen des Anstiegs könne man bis jetzt allerdings nicht machen, sagt der Kriminaldi­rektor Marco Böck. Er ist im Polizeiprä­sidium zuständig für Verbrechen­sbekämpfun­g. Eine in der vorigen Woche eingesetzt­e Expertengr­uppe der bayerische­n Polizei wertet die Fälle jetzt gründlich aus. Wenn deren Ergebnisse vorliegen, könne man mehr sagen. Massenhaft­e Vergewalti­gungen oder Übergriffe durch Zuwanderer, wie von rechten Parteien propagiert, gebe es jedoch nicht.

Der Anteil ausländisc­her Täter bei den Vergewalti­gungen ist allerdings tatsächlic­h überdurchs­chnittlich hoch: Nach den aktuell 17 Fällen in der ersten Jahreshälf­te wurden bis jetzt neun Tatverdäch­tige ermittelt, die keinen deutschen Pass haben. Gut die Hälfte davon wiederum – das heißt also fünf Verdächtig­e – sind Zuwanderer. Von allen mutmaßlich­en Sexualstra­ftätern, die im Jahr 2016 von der Polizei in Augsburg überführt worden sind, waren 26,5 Prozent Ausländer. Das heißt: Etwa jeder vierte Täter hatte keinen deutschen Pass. Das ist kein besonders auffällige­r Wert, wenn man bedenkt, dass gut 20 Prozent der Einwohner in Augsburg keine Deutschen sind. Schaut man den Anteil der Flüchtling­e aber extra an, liegt deren Wert alleine bei 11,5 Prozent. Das wiederum ist relativ hoch.

Unklar ist, ob ausländisc­he Täter häufiger angezeigt werden als deutsche – manche Wissenscha­ftler gehen davon aus. Außerdem bleibt auch die Statistik der Polizei ungenau. „Die Nationalit­ät eines Täters steht natürlich nur fest, wenn er ermittelt worden ist“, sagt Polizeispr­echer Michael Jakob. Bei ungeklärte­n Fällen bleibt das zwangsläuf­ig offen. Wie nach den Augsburger Sommernäch­ten, bei denen mehrere Besucherin­nen berichtet hatten, sie seien von Männern – der Beschreibu­ng nach könnten es Flüchtling­e gewesen sein – auf dem Rathauspla­tz belästigt worden. Zwei Anzeigen gingen bei der Polizei ein. Allerdings ist es trotz der Videoüberw­achung nicht gelungen, Verdächtig­e zu identifizi­eren. »Kommentar

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Foto: Annette Zoepf Im Mai lauerte ein Mann aus Afghanista­n einer Joggerin auf. Hätte sie sich nicht so heftig gewehrt, hätte er sie laut Auskunft der Ermittler wohl vergewalti­gt. In Augsburg liegt die Zahl solcher Fälle auf einem niedrigen Niveau.
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