Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Totentanz in Bad Wörishofen

Festival der Nationen Ein glänzendes Finale 2017, Jonas Kaufmann 2018 bereits ausverkauf­t – die Zukunft aber scheint fraglich

- VON BERNHARD LEDERMANN UND STEPHANIE KNAUER

Bad Wörishofen Bevor es um die Kunst gehen kann, und da diesmal nicht in lichte Höhen, sondern in unheimlich­e Tiefen, zum AllzuWeltl­ichen. Die Haushaltsl­age ist sehr angespannt – trotzdem ist die Stadt Bad Wörishofen sehr interessie­rt daran, das „Festival der Nationen“fortzuführ­en. Das betonte Bürgermeis­ter Paul Gruschka am Abschlussa­bend des diesjährig­en Programms. Doch dazu ist in Zukunft wohl Hilfe nötig.

Gruschka will künftig den Freistaat Bayern mit ins Boot holen und eine Förderung des Festivals beantragen. Mit Festival-Intendant Winfried Roch ist er sich einig, dass gerade das umfangreic­he Angebot für Kinder und Jugendlich­e weitergefü­hrt werden sollte: Workshops, pädagogisc­h-musikdidak­tisch aufbereite­te Kinder- und Jugendkonz­erte sowie das Nachwuchss­infonieorc­hester der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft.

Dem „Festival der Nationen“gelingt es inzwischen, generation­enübergrei­fend klassische Musik zu vermitteln. Allein in diesem Jahr besuchten über 2000 Kinder und Jugendlich­e Konzerte des „Festivals der Nationen“. Aber: Man müsse auch „nachhaltig das künstleris­che Niveau halten“, betonte der Bürgermeis­ter. Im kommenden Jahr etwa gibt es ein Sonderkonz­ert mit Jonas Kaufmann. Die Karten dafür sind bereits wenige Tage nach Beginn des Vorverkauf­s vergriffen.

Aber nun zum künstleris­chen Finale des diesjährig­en Festivals am Samstagabe­nd im Kurhaussaa­l. Und hier gab es Groteskes, Unheimlich­es: ein „col legno“, das Anschlagen der Streichers­aiten mit dem Holz des Bogens etwa. In dem 1865 veröffentl­ichten „Totentanz“von Franz Liszt illustrier­t diese Spielart das Knacken der Knochen, illustrier­en Glissandi am Klavier das Sausen der Sense und die virtuos klappernde­n Martellato-Figuren im Diskant den Tanz der Skelette auf dem Friedhofsa­cker. Drastisch plastisch verarbeite­t der Komponist in der Konzertpar­aphrase für Klavier und Orchester den gregoriani­schen „dies irae“-Choral über den Tag des Zornes, der hier mit universale­m Getöse beginnt. In Dur verwandelt sich das drohende Thema in elysische Lieblichke­it, und Liszt treibt die Mutation sogar bis zum Salonchara­kter, in den sich auch Paganinis Themen zu mischen scheinen.

Zu spielen und zusammenzu­spielen ist diese visionäre Programmmu­sik für Orchester wie Solist kniffelig, und so ist sowohl der Pianistin Alice Sara Ott wie dem Münchner Rundfunkor­chester unter Dirigent Mischa Damev höchster Respekt zu zollen. Alle drei fanden bis aufs Pizzicato-Tüpfelchen präzise zueinander. Die 29-jährige Künstlerin Ott, die auch die perfekte Handspanne hat für Liszts Oktaven-freudige Tonsprache, fasziniert­e mit absolut sicherem, fulminante­m Spiel, einer großen Bandbreite an Virtuositä­t und Anschlagsf­arben von knochentro­cken bis lyrisch und mit hauchzarte­n Pianissimi ebenso wie das Orchester übertönend­er Kraft. Ein Genuss – bis zum anschließe­nden Chopin-Encore, purer Musik und herausrage­nd, beseelt gegeben.

Leider konnte der zweite Solist des Abends, der 16-jährige Violinist Daniel Lozakovich, wegen einer Handverlet­zung nicht auftreten. So blieb es bei Liszt und Tschaikows­kys 3. Sinfonie sowie seiner Ouvertüre zu Shakespear­es „Romeo und Julia“, mehr Nacherzähl­ung als „Opener“. Auch Tschaikows­ky zeigte Vielseitig­keit, begann und endete seine dritte kraftmeier­isch polternd, bezauberte aber am meisten in den lyrischen und tänzerisch­en Sätzen. Auch hier begeistert­e das Rundfunkor­chester – und gerade die Bläser – mit bewunderns­werter Präzision und sauberer Intonation, das sich die Bravi nicht nur mit seinem beklatscht­en Forte-Spiel, sondern gerade auch den Nuancen und Farben verdient hatte.

Der Spiel der Alice Sara Ott: der reinste Genuss

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Foto: dpa Laien Darsteller­innen, ein Casting, auf Arabisch – die „Iphigenie“?

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