Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn die Natur zurückkehrt
Buch Ein faszinierender Bildband über verwunschene Orte
Der Mensch geht, die Natur kommt: Der Bildband „Neuland“zeigt eindrücklich, mit welcher Kraft die Natur sich zurückholt, was der Mensch ihr in seiner Gier genommen hat. Sie macht sich in verlassenen protzigen Palästen ebenso breit wie in veralteten Industrieanlagen, besetzt leere Sanatorien und alte Klöster, wuchert in menschenleeren Gassen und in vom Erdbeben zertrümmerten Kirchen.
Die natürlichen Invasoren brechen durch mürbe Türen und zerborstene Fenster, kriechen über bröckelnde Wände und schlingen sich um rostende Gitter. Moos und Flechten überziehen die Mauern, Efeu klettert über Säulen, und in der Riesenrutsche eines vergessenen Aquaparks rutschen nur noch Blätter ins schlammige Wasser.
Sven Fennema hat sich auf die Suche begeben. Fündig geworden ist er in Italien und Belgien, in Deutschland und Frankreich. Er ist durch Brennnesseln gewatet, über Wurzeln und Geröll gestolpert und durch Dornengebüsch gekrochen wie einst der Prinz, der Dornröschen wachküsste. Auferwecken konnte er die dem Untergang geweihten Kirchen, Schlösser und Industrieanlagen nicht, aber er dokumentiert mit seiner Kamera die Melancholie des Verfalls. Zeigt, wie daraus neue Kunstwerke entstehen: Von Farnen gekrönte Schrottautos, ein fast in der Erde versunkener Panzer, Stühle, aus denen Bäume wachsen. Manches ist nur mehr auf seinen Fotografien zu sehen, ist abgerissen, eingestürzt, verschwunden. Und so blättert man durch diesen großartigen Bildband und fühlt sich wie in einer anderen Realität.
Christoph Gunkels Texte erzählen vom Bemühen des Fotografen, solche verwunschenen Orte aufzuspüren, und helfen bei der Einordnung der Bilder. Zitate von Marc Aurel bis Schiller, von Cezanne bis Kokoschka begleiten diese Reise in eine Welt, in der die Natur das Sagen hat. Lilo Solcher » Sven Fennema: Neuland – Eroberungen der Natur.
Frederking & Thaler, 240 S., 50 ¤