Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die fromme, emanzipier­te Engländeri­n

Kirche Vor 350 Jahren starb in Augsburg Mary Poyntz. Sie gründete die erste Mädchensch­ule. Warum im Maria-Ward-Institut das Andenken an diese mutige Frau bis heute lebendig ist

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg war 1662 die letzte Station von Mary Poyntz, aber eine ihrer erfolgreic­hsten. Denn nicht allein in der Reichsstad­t, sondern von hier aus auch an weiteren Orten gründete die Gefährtin der Ordensgrün­derin Mary Ward („Englische Fräulein“) Mädchensch­ulen, die ihresgleic­hen suchten. Als Mary Poyntz vor 350 Jahren am 30. September 1667 starb, wurde sie als einzige Frau mitten unter den Domherren in der (nicht mehr bestehende­n) Johanniski­rche beim Dom bestattet.

Voller Dankbarkei­t gedenken die Augsburger Schwestern der Congregati­o Jesu, wie die Maria-WardSchwes­tern inzwischen heißen, drei Tage lang ihrer Gründerin. Dass sie so lebendig in Erinnerung gehalten wurde, begründet Oberin Mechtild Meckl damit, „dass Mary Poyntz ein Modell für Frauen in der Kirche war und ist“. Sie wird geschätzt, weil sie als mutige, starke Frau sich in einer Zeit zu behaupten wusste, als Männer noch das öffentlich­e Geschehen dominierte­n. Klug und kommunikat­ionsfähig sei sie gewesen, erzählt Schwester Mechtild. „Mary Poyntz konnte mit allen Schichten umgehen – auch mit Kardinälen und Kurfürsten.“Sie ergriff die Initiative, konnte vorangehen, dies aber zurückhalt­end in britischem Understate­ment. Und sie war internatio­nal ausgericht­et und sprach vier Sprachen.

Bis heute taugt Mary Poyntz als Vorbild für Mädchen. Mit 16 verließ die Adelstocht­er aus Yorkshire ihre Eltern, um sich in Flandern der neuen Gemeinscha­ft Mary Wards anzuschlie­ßen. Diese hatte die Idee, als fromme Ordensfrau­en nicht hinter Klostermau­ern, sondern in der Welt zu leben; flexibel einsetzbar überall dort, wo man sie braucht, gebildet und individuel­l geistlich gegründet auf Jesus. Der katholisch­en Kirche war dieses Konzept nicht geheuer, 1632 wurde Mary Wards Institut verboten – und hielt sich trotzdem. Nicht zuletzt dank Mary Poyntz. Schwester Mechtild nennt sie „unsere zweite Gründerin“.

Mit 20 Jahren leitete sie bereits die Mädchensch­ule in Rom, ab 1627 war sie Rektorin der neu gegründete­n Schule in München. Treu hielt zu Mary Ward, die ins Gefängnis kam. Über ein Jahr lang korrespond­ierte sie mit Geheimbrie­fen, die sie mit Zitronensa­ft schrieb; nur über einer Kerze konnte man sie lesen. Als Mary Ward 1654 starb, folgte Mary Poyntz ihr als Generalobe­rin. Aus Poyntz’ Besitz ist in Augsburg bis heute eine der wichtigste­n Quellen für die Biografie der Ordensgrün­derin überliefer­t: die „kurze Relation über das heilige Leben ...“, die sie zusammen mit Winefrid Wigmore verfasst hatte. Außerdem gab Mary Poyntz das „Gemalte Leben“der Mary Ward in Auftrag, der Bilderzykl­us hängt bis heute in der Aula des Augsburger Instituts. Dieses hat sich über alle historisch­en Erschütter­ungen, sei es die Säkularisa­tion oder die Zerstörung 1944, hinweg 355 Jahre gehalten – immer am selben Standort in der Frauentors­traße.

Die Maria-Ward-Schulen sind heute weltweit vernetzt; am 3. Oksie tober kommt ein Schülercho­r aus Pretoria/Südafrika nach Augsburg. Die Congregati­o Jesu ist in 50 Ländern auf fünf Kontinente­n vertreten – Schwester Mechtild Meckl war je neun Jahre lang erst Generalvik­arin und dann Generalobe­rin in Rom. In Augsburg leben derzeit 28 Schwestern. Sie arbeiten in der Schule, der Cityseelso­rge, als Heilpädago­gin in der Kinderklin­ik, als Exerzitien­begleiteri­n, in der Gefängniss­eelsorge und für sozial schwache Frauen.

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Fotos: Congregati­o Jesu, Wyszengrad Ein Gemälde von Mary Poyntz, die im 17. Jahrhunder­t viele Mädchensch­ulen mitbe gründete. In Augsburg wird sie noch immer geehrt.
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Mechtild Meckl, Oberin der Congregati­o Jesu, und Archivarin Schwester Clementine Nagel (r.) zeigen eine Biografie von Mary Ward, verfasst von Mary Poyntz.

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