Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Die Dult ist die Dult“
Jahrmarkt Manchmal ist die Erklärung, warum eine Veranstaltung gut läuft, so einfach. Doch die Händler, die seit Samstag in der Jakobervorstadt wieder ihre Waren anbieten, spüren auch Veränderungen
Es gibt Pflichten im Leben eines Augsburgers, die kann man nur als angenehm beschreiben: Manfred Rieger und seine Frau Siegrid zum Beispiel bezeichnen den Gang zur Dult als solche – augenzwinkernd, versteht sich. „Das ist ein altes Stück Augsburg“, sagt Manfred Rieger, der gleich am Eröffnungswochenende in die Jakobervorstadt gekommen ist.
Der älteste Jahrmarkt der Stadt feiert in diesem Jahr seinen 134. Geburtstag. 967 wurde er erstmalig als „Führnehmer Markt“urkundlich erwähnt, seitdem genießen die Augsburger „ihre“Dult. Und das sogar zwei Mal im Jahr – an Ostern und als Herbstdult. Dass diese Dult in Zeiten großer Kaufhäuser und Onlineshops noch immer so viele Menschen anzieht, mag erstaunen. Viele Besucher aber glauben zu wissen, warum es so ist: Sie finden auf der Dult etwas, was sie im Internet vergeblich suchen: „Hier sieht man die Dinge, kauft sie und kann sie sofort benutzen“, sagt Franziska Weidenauer aus Pfersee. „Wenn ich im bestelle, muss ich drei Mal zur Post laufen und stelle dann fest, dass die Ware nicht so ist wie gedacht.“
Noch etwas macht die Einzigartigkeit der Dult aus: Wenn die Marktbetreiber ihre Produkte präsentieren, dann ist das lebendiges Live-Entertainment. Die besten ihrer Zunft ziehen dabei die Leute in ihren Bann wie Zauberer. Von den Verkaufsqualitäten der Augsburger Marktschreier können sich einige Moderatoren der Shopping-TVSender eine Scheibe abschneiden. Doch auch Ruhe führt zum Erfolg, wie Robert Both von Garten Peter beweist. Seit zwölf Jahren ist er dabei – immer mit Hut und immer mit einem warmen Händedruck für jeden Kunden. „Hier merken auch junge Leute, dass sie etwas bekommen, was es im Internet nicht gibt: Zeit für die Beratung und die Möglichkeit, ein Produkt zu testen“, sagt Both. „Hier tickt die Uhr langsaInternet mer, hier geht es mehr um die Begegnung von Menschen statt um das Produkt.“Wenn man dieses Kulturgut pflege, hätten Märkte wie die Dult auch eine Zukunft, ist Both überzeugt.
Nicht jeder sieht das derart optimistisch. „Die Leute haben immer weniger Geld “, berichtet Christian Karl (65), der Süßwaren verkauft. „Es sind auch immer die gleichen Besucher.“Doch Stände wie der von Benni Kimberger (21) und Sofia Frank (18) wollen generationsübergreifend wirken und junge Gäste mit stylishen Taschen anziehen. Sabine Korger (52) von „Bienes Honighaus“aus Augsburg setzt auf kulinarische Innovationen: Jedes Jahr entwickelt sie eine neue HonigKreation. 2017 im Trend: Honig mit Kirschkonzentrat. Sogar in den USA seien die Mix-Leckereien gefragt. „Die Amerikaner haben einen ganz anderen Geschmack“, verrät sie. „Während sie Honig mit scharfen Jalapenos auf die Chicken Wings geben, steht der Augsburger oft da und fragt: Was sind denn Jalapenos?“
Eine Institution auf der Dult ist der Billige Jakob. Und das, obwohl er nicht Jakob heißt, sondern Leo Pirthauer. Seit über 40 Jahren findet man ihn hier. „Früher habe ich das Sortiment ausgeschrien, das mache ich nicht mehr, irgendwann muss mal Ruhe sein“, sagt der 84-Jährige. Zur Ruhe setzen aber will er sich noch lange nicht: „Ich werde hier sein, so lange ich das gesundheitlich kann“.
Seit 19 Jahren ist dies auch das Credo von Manuela Klinger (53) mit ihrem Bücherstand. „Die Leute lesen genau so viel wie vor 19 Jahren“, freut sie sich. Warum die Augsburger diesen besonderen Jahrmarkt so sehr lieben, bringt niemand an diesem Tag so treffend auf den Punkt wie sie: „Die Dult ist die Dult.“
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Termin Die Dult geht bis 8. Oktober, geöffnet ist täglich von 10 bis 19 Uhr. 135 Marktstände bietet die längste Frei luft Kaufstraße Augsburgs. Neben dem klassischen Krimskrams, Haushaltsarti keln, Gewürzen, Mode, Tee, Holz und Korbwaren gibt diesmal unter anderem Smartphone Zubehör, orthopädische Sitzkissen und Ausstecherle für die Weih nachtsbäckerei.