Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Lia arbeitet in der Metzgerei und hilft bei der Feuerwehr
Schicksal Wie sich ein junger Mann aus Afghanistan in Altenmünster eine Existenz aufbaut und welche Sorgen er hat
Altenmünster Drei Jahre liegen zurück, als Liaqat Sherzoi unter Tränen die Geschichte über seine Flucht aus Afghanistan vor vielen Zuhörern in Adelsried erzählt hatte. Damals ist er aus dem kleinen Dorf Khogyani, ganz in der Nähe von Dschalalabat, geflohen. Die Stadt wird immer wieder von Anschlägen der Talibangruppen oder des IS erschüttert. Jetzt hat er in Altenmünster eine Heimat gefunden.
Eine erste große Hilfe seit seiner Ankunft war das Ehepaar Elisabeth und Friedrich Geiger aus Adelsried. Zu ihnen hat er heute noch Kontakt. Unentbehrlich ist er auch in der Metzgerei Schwab in Altenmünster geworden. Sein Chef ist stolz auf seinen Mitarbeiter. „Lia, wie er von uns genannt wird, ist sehr zuverlässig. Er arbeitet auch schon beim Partyservice am Samstag mit. Heutzutage will ja keiner mehr ein Handwerk lernen. Da bin ich sehr froh, dass wir Lia haben. Mittlerweile versteht er schon ein wenig den schwäbischen Dialekt. Er weiß, was ein nasser Lumpen ist“, sagt Georg Schwab. Beide lachen.
Liaqat Sherzoi sagt: „Ich möchte ein ganz normales Leben führen – so wie andere Menschen. Arbeiten, eine Familie haben, glücklich sein. Mehr nicht.“Das Ungewisse belastet ihn schwer. Darf er auf Dauer in Deutschland bleiben? Darf seine Familie kommen? „Jeden Morgen, wenn die Sonne scheint, denke ich, heute kommt der Bescheid, dass ich hier bleiben kann und meine Familie zu mir kommt.“
Über diese Ungewissheit macht sich auch sein Chef Georg Schwab Gedanken. „Seit der Anhörung im April 2016 ist kein Bescheid eingegangen. Wir haben beim Landratsamt angerufen, viele Briefe geschrieben. Die Antwort war: Das Landratsamt hat keinen Zugriff auf die Daten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Was können wir noch für ihn tun?“
Liaqat Sherzoi arbeitet, zahlt Steuern und seine Miete für das Zimmer, das er mit fünf weiteren Flüchtlingen teilt. Viele Freunde habe er hier gefunden, sagt er. Sein Chef bestätigt das. Schwab: „Er geht halt auf die Menschen zu.“Und er ist Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr.
Wenn Liaqat von seinen Hoffnungen und Sorgen erzählt, weint er.
„In Afghanistan lebte ich mit meiner Familie zusammen, jetzt bin ich alleine hier. Es ist sehr schwierig für mich“, sagt er. Seine Frau und seine beiden Kinder leben unter sehr schwierigen Bedingungen in Afghanistan. „Sie wurden vom IS gefangen genommen.“Er wählt drastische Worte: „Meinen Sohn wollten sie schlachten.“Seine Tochter hat er noch nie gesehen, denn als Liaqat Sherzoi floh, war seine Frau gerade schwanger. Das war vor sieben Jahren. Er zeigt ein Foto von ihr zusammen mit ihrem Bruder. „Die Kleider, die sie trägt, habe ich ihr über einen Freund geschickt. Sie sieht wie eine Prinzessin aus. Und mein Sohn ist mein Prinz.“
Einen Wunsch hat er: „Ich möchte, dass die bayerischen Menschen für mich beten. Beten dafür, dass meine Familie bald kommen darf.“Nachts hat Liaqat Sherzoi immer wieder Alpträume. Er träumt, er werde von zwei Löwen verfolgt, die ihn fressen wollen. Diesen Traum träumt er immer wieder. Vom Arzt hat er deshalb Tabletten bekommen. Ohne sie kann er nicht mehr einschlafen.