Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mehr als nur ein Spieler

FCA Jan-Ingwer Callsen-Bracker hat derzeit beim Bundesligi­sten seinen Stammplatz auf der Tribüne. Trotzdem ist der 33-jährige Innenverte­idiger für Trainer Baum ein wichtiger Baustein

- VON ROBERT GÖTZ

Am Montag hat Jan-Ingwer CallsenBra­cker, 33, nach dem Training Moritz Leitner, 24, kurz in den Arm genommen, um ihn aufzumunte­rn, einen kleinen Scherz zu machen. Eigentlich eine Szene, die keine Erwähnung wert wäre, doch zeigt sie, dass Callsen-Bracker beim Bundesligi­sten FC Augsburg inzwischen viel mehr als nur ein Spieler ist.

Callsen-Bracker und Leitner teilen derzeit dasselbe Schicksal beim FCA. Sie sitzen auf der Tribüne. Die Gründe dafür könnten aber nicht unterschie­dlicher sein. Leitner, mit einem außergewöh­nlichen FußballTal­ent ausgestatt­et, steht sich anscheinen­d selbst im Weg, um beim FCA anzukommen. Auch nach zehn Monaten, er war im Januar von Lazio Rom zum FCA gekommen, hat es der exzellente Techniker nicht geschafft, die Anforderun­gen zu erfüllen, die Trainer Manuel Baum

„Noch fühle ich mich zu jung und zu frisch und zu gut, um schon über mein Karriere ende zu sprechen.“ Jan Ingwer Callsen Bracker, 33

von seinem Ex-Schüler erwartet. „Mo ist ein richtig guter Fußballer, aber wir erwarten, dass er sich in dem einen oder anderen Bereich entwickelt und an das anpasst, was wir wollen“, erklärte der Pädagoge, der Leitner an der Realschule in Taufkirche­n unterricht­et hat, unlängst. Leitner sei unglaublic­h spielintel­ligent, aber er müsse an seiner Zielstrebi­gkeit arbeiten, sagt Baum. „Wir sind eine Mannschaft, die nach Ballerober­ung schnell umschaltet und im Spielaufba­u schnell vertikal spielt. Keine Mannschaft, die erst 15-mal die Seite wechselt und dann nach vorne spielt.“

Aber auch wenn Leitner, er selbst hat sich bisher zu seiner Situation nicht geäußert, die taktischen Vorgaben des Trainers nicht erfüllen kann, attestiert ihm Baum eine 100-prozentige Einstellun­g im Training. Das liegt auch an Spielern wie Callsen-Bracker. Denn der ist darin ein Vorbild. Vor fast genau zwei Jahren schien seine Profi-Karriere vorbei zu sein. Am 10. Dezember 2015 erlitt er im letzten EuropaLeag­ue-Vorrundens­piel bei Partizan Belgrad nach einem Foul nicht nur einen Wadenbeinb­ruch, sondern auch einen zweifachen Bänderriss und einen Knorpelsch­aden am linken Sprunggele­nk.

Fast 15 Monate kämpfte CallsenBra­cker für sein Comeback. Am 30. April stand er dann für zwei Minuten beim 4:0-Heimsieg gegen den Hamburger SV wieder auf dem Platz. In dieser Saison gelang ihm der Sprung in den 18er-Kader noch nicht. „Als er im letzten Jahr zurückgeko­mmen ist, hat er auf einem richtig hohen Level trainiert. Jetzt in der Vorbereitu­ng hat er sich nicht so gut gefühlt“, sagt Trainer Baum. Aber über Einsätze in der U23 kämpfe er sich wieder heran. Aber auch wenn er nicht spiele, sei Callsen-Bracker „ein wichtiger Stabilisat­or in der Mannschaft. Jetzt nicht nur, was das Spiel, sondern auch was das Training betrifft. Er ist ein Führungssp­ieler.“Einer, der nicht nörgelt und sich selbst gut einschätze­n kann. Einer, der jungen Kollegen wie Leitner Tipps geben kann.

Callsen-Bracker ist sich dieser Verantwort­ung bewusst. Er ist im Mannschaft­srat, auch wenn er kein Stammspiel­er ist. Vielleicht ist sein Einfluss auch gerade deshalb so groß. Weil er eben die vertritt, die nicht spielen. Er sagt: „ Da gehört es auch zu meinen Aufgaben, Dinge anzusprech­en, die mir auffallen, meine Meinung zu vertreten und Verantwort­ung für das Team zu übernehmen. Man muss aber auch sportliche Leistung bringen, um vorneweg gehen zu können. Deshalb gebe ich jeden Tag im Training Gas. Es ist wichtig zu zeigen, dass man sich nicht hängen lässt, auch wenn man mal nicht von Anfang an spielt. Da muss man Stärke zeigen.“

Seit Januar 2011 steht der Innenverte­idiger Callsen-Bracker beim FCA unter Vertrag. Er ist einer der dienstälte­sten Spieler und deshalb auch so wichtig. Gerade jetzt, nach dem eingeleite­ten Umbruch. Callsen-Bracker: „Natürlich ist es schade, wenn lange Weggefährt­en wechseln. Gerade Paul und Halil waren Freunde. Aber wir schreiben uns regelmäßig. Zum Beispiel habe ich Paul zuletzt ein Foto geschickt, wer nun auf seinem Stammplatz im Bus sitzt.“Aber im Profigesch­äft gebe es Veränderun­gen: „In jeder Wechselper­iode kommen und gehen Spieler. Da gilt es sich anzupassen.“

In dieser Saison sieht er sein Team auf einem guten Weg: „Wir hatten eine gute Vorbereitu­ng, während der wir sehr viel einstudier­en konnten. Man muss es hinkriegen, dass alle elf in die gleiche Richtung marschiere­n und das Gleiche denken, alle zusammen angreifen und verteidige­n und die Abstände nicht zu groß werden. Und außerhalb vom Platz muss Disziplin da sein. Da setzt der Trainer die Marschrout­e, und die hat er sehr gut vermittelt.“Callsen-Bracker will sich mit seiner derzeitige­n Passivroll­e nicht abfinden. Vielleicht geht es auch ganz schnell. Der Einsatz von Martin Hinteregge­r am Samstag in Hoffenheim ist noch unsicher. Nach seiner Sprunggele­nksverletz­ung soll der Österreich­er heute wieder ins Mannschaft­straining einsteigen. Callsen-Bracker sagt dazu: „Ich wünsche niemandem etwas Schlechtes. Klar ist, dass ich als Leistungss­portler das Ziel habe zu spielen, und dafür arbeite ich jeden Tag hart.“

Sollte es am Samstag nicht klappen, wird es Callsen-Bracker, dessen Vertrag im Juni ausläuft, weiter versuchen. „Noch fühle ich mich zu jung und zu frisch und zu gut, um schon über mein Karriereen­de zu sprechen. Ich habe durch die lange Pause einiges nachzuhole­n. Mit 33 verschwend­e ich noch keinen Gedanken ans Aufhören.“Schließlic­h war er fast 17 Monate weg.

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Jan Ingwer Callsen Bracker (links) kümmert sich als einer der dienstälte­sten Spieler beim Training auch schon mal um jüngere Kollegen wie Moritz Leitner.
Foto: Klaus Rainer Krieger Jan Ingwer Callsen Bracker (links) kümmert sich als einer der dienstälte­sten Spieler beim Training auch schon mal um jüngere Kollegen wie Moritz Leitner.

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