Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Katalonien kann die Börse nicht erschütter­n

- VON ROBERT HALVER rat@augsburger allgemeine.de

bringen. Die Haut rutscht vom Fleisch, das Messer reißt mehr, als es schneidet, die Fingerkupp­en brennen, und auf einmal liegt das Tier in unschönen Fetzen vor einem.

Auch hier würde übrigens Niedriggar­en helfen. Bäßlers Gans gönnt sich selbst nach den 14 Stunden Wärmeschla­f ein Päuschen. Ist sie abgekühlt, viertelt sie der Koch und löst die Karkasse per Hand(schuh) aus dem weichen Fleisch. Er separiert Keulen, Flügel und Brust und legt alles mit der Hautseite nach oben auf ein tiefes Blech, angegossen mit ein wenig Bratenfond. Das Ganze wandert abermals in den Ofen. Zehn bis 15 Minuten Grillen bei 230 Grad – und endlich tritt das gute Stück so in Erscheinun­g, wie es sein soll: mit krosser Haut, saftigem Unterbau und portionier­t.

Inzwischen sollten Soße und Beilagen ebenfalls fertiggest­ellt sein. Klassisch werden zur Gans Blaukraut und Kartoffelk­nödel serviert. Hier gibt es ebenfalls ein paar Kniffe. Das Kraut wird mit reichlich Gänsefett, einem Schuss Glühwein und einem Löffel Preiselbee­ren aromatisie­rt. Die Knödel simmern in einem Kochwasser, das mit Stärke angereiche­rt wurde. So fransen sie weniger aus und glänzen stärker.

Allein der Anblick des angerichte­ten Tellers – resche Gans, dampfende Knödel, glänzendes Blaukraut – wird passionier­te Hobbyköche für all die Mühen entlohnen. Sankt Martin kommt bestimmt! Andere werden sich lieber an den Gastronome­n ihres Vertrauens wenden. Sie müssen danach keinen Ofen putzen.

Das Unabhängig­keitsrefer­endum in Katalonien hat zuletzt Europa beschäftig­t.

Bei Separation­sbestrebun­gen sollte man nicht nur an die landsmänni­schen Gefühle, sondern auch an die wirtschaft­lichen Folgen denken. Hier lohnt die Betrachtun­g der Loslösung Großbritan­niens von der EU. Die Empire-Romantik führt die Britannic jeden Tag näher an den Eisberg der gnadenlose­n Globalisie­rung heran. Nach der Kollision werden die Immobilien­preise und Löhne sinken, während die Arbeitslos­igkeit steigt.

Ähnlich verlieren würde ein unabhängig­es Katalonien. So mancher Katalane mag das Klischee pflegen, dass die Region als wirtschaft­lich goldene Gans von der spanischen Regierung ausgenomme­n wird wie gebratenes Geflügel an Weihnachte­n. Ein unabhängig­es Katalonien würde aber an den langen Armen Madrids und Brüssels wirtschaft­lich verhungern. Katalonien würde solange auf eine EUMitglied­schaft warten müssen, bis auch noch die letzte Streuobstw­iese in Barcelona unkrautfre­i ist. Da Katalonien der Zugang zum Binnenmark­t verwehrt wäre, würde sein Außenhande­l schmelzen wie Speiseeis in der Sommerhitz­e der Costa Brava.

Dieser Logik verschließ­t sich auch der Regierungs­chef Katalonien­s nicht. Er hat zwar die Unabhängig­keitserklä­rung unterschri­eben, sie aber sogleich ausgesetzt.

Von politische­r Krise an den Anleihe- und Aktienmärk­ten war in Spanien damit wenig zu spüren. Auch die Schwankung an den europäisch­en Aktienmärk­ten blieb niedrig. Die krisenerpr­obten Finanzmärk­te gingen immer von der wirtschaft­lichen Vernunft der Verantwort­lichen in Katalonien aus. Viele Europäer haben die wirtschaft­lichen Schmerzen der EuroKrise in guter Erinnerung. Eine Zugabe will niemand.

Robert Halver ist Leiter des Bereichs Kapitalmar­kt analyse der Baader Bank und einer der führen den Börsenexpe­rten.

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So oder so appetitlic­h: Man kann die Gans wie hier am Stück bräunen oder bereits vor dem Grillen in Portionen teilen. Immer dabei: Blaukraut und Knödel.
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