Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Katalonien kann die Börse nicht erschüttern
bringen. Die Haut rutscht vom Fleisch, das Messer reißt mehr, als es schneidet, die Fingerkuppen brennen, und auf einmal liegt das Tier in unschönen Fetzen vor einem.
Auch hier würde übrigens Niedriggaren helfen. Bäßlers Gans gönnt sich selbst nach den 14 Stunden Wärmeschlaf ein Päuschen. Ist sie abgekühlt, viertelt sie der Koch und löst die Karkasse per Hand(schuh) aus dem weichen Fleisch. Er separiert Keulen, Flügel und Brust und legt alles mit der Hautseite nach oben auf ein tiefes Blech, angegossen mit ein wenig Bratenfond. Das Ganze wandert abermals in den Ofen. Zehn bis 15 Minuten Grillen bei 230 Grad – und endlich tritt das gute Stück so in Erscheinung, wie es sein soll: mit krosser Haut, saftigem Unterbau und portioniert.
Inzwischen sollten Soße und Beilagen ebenfalls fertiggestellt sein. Klassisch werden zur Gans Blaukraut und Kartoffelknödel serviert. Hier gibt es ebenfalls ein paar Kniffe. Das Kraut wird mit reichlich Gänsefett, einem Schuss Glühwein und einem Löffel Preiselbeeren aromatisiert. Die Knödel simmern in einem Kochwasser, das mit Stärke angereichert wurde. So fransen sie weniger aus und glänzen stärker.
Allein der Anblick des angerichteten Tellers – resche Gans, dampfende Knödel, glänzendes Blaukraut – wird passionierte Hobbyköche für all die Mühen entlohnen. Sankt Martin kommt bestimmt! Andere werden sich lieber an den Gastronomen ihres Vertrauens wenden. Sie müssen danach keinen Ofen putzen.
Das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien hat zuletzt Europa beschäftigt.
Bei Separationsbestrebungen sollte man nicht nur an die landsmännischen Gefühle, sondern auch an die wirtschaftlichen Folgen denken. Hier lohnt die Betrachtung der Loslösung Großbritanniens von der EU. Die Empire-Romantik führt die Britannic jeden Tag näher an den Eisberg der gnadenlosen Globalisierung heran. Nach der Kollision werden die Immobilienpreise und Löhne sinken, während die Arbeitslosigkeit steigt.
Ähnlich verlieren würde ein unabhängiges Katalonien. So mancher Katalane mag das Klischee pflegen, dass die Region als wirtschaftlich goldene Gans von der spanischen Regierung ausgenommen wird wie gebratenes Geflügel an Weihnachten. Ein unabhängiges Katalonien würde aber an den langen Armen Madrids und Brüssels wirtschaftlich verhungern. Katalonien würde solange auf eine EUMitgliedschaft warten müssen, bis auch noch die letzte Streuobstwiese in Barcelona unkrautfrei ist. Da Katalonien der Zugang zum Binnenmarkt verwehrt wäre, würde sein Außenhandel schmelzen wie Speiseeis in der Sommerhitze der Costa Brava.
Dieser Logik verschließt sich auch der Regierungschef Kataloniens nicht. Er hat zwar die Unabhängigkeitserklärung unterschrieben, sie aber sogleich ausgesetzt.
Von politischer Krise an den Anleihe- und Aktienmärkten war in Spanien damit wenig zu spüren. Auch die Schwankung an den europäischen Aktienmärkten blieb niedrig. Die krisenerprobten Finanzmärkte gingen immer von der wirtschaftlichen Vernunft der Verantwortlichen in Katalonien aus. Viele Europäer haben die wirtschaftlichen Schmerzen der EuroKrise in guter Erinnerung. Eine Zugabe will niemand.
Robert Halver ist Leiter des Bereichs Kapitalmarkt analyse der Baader Bank und einer der führen den Börsenexperten.