Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Fahrschein­e, bitte!

Verkehr 22 festangest­ellte Fahrkarten­kontrolleu­re und 18 Studenten sind für die Stadtwerke im Einsatz. Sie sind täglich unterwegs, um Schwarzfah­rer zu erwischen. Dabei werden sie mit allerhand Situatione­n konfrontie­rt. Mancher Fahrgast verhält sich auch a

- VON MIRIAM ZISSLER

Wenn der große Mann mit dem gezwirbelt­en Schnauzbar­t die Straßenbah­n betritt, dann wissen die meisten Fahrgäste schon, was los ist: Fahrschein­kontrolle. Und tatsächlic­h dauert es nicht lange, die Tram ist gerade am Königsplat­z in Richtung Stadtberge­n losgefahre­n, da sagt er auch schon: „Grüß Sie. Die Fahrschein­e bitte.“Was folgt, ist dasselbe Bild. Alle Fahrgäste beginnen in ihren Taschen zu kramen, holen ihre Geldbeutel aus der Hosentasch­e hervor oder das Ticket aus der Brusttasch­e ihres Hemdes.

In der mittags gut besetzten Straßenbah­n ist für die Fahrkarten­kontrolleu­re alles geboten: Schülertic­kets, Campus Cards, Bayern-Ticket, ein Jahrestick­et von einem Menschen mit Behinderun­g, ein Familien-Ticket und Monatskart­en werden Walter, Hüseyin und Numan – sie alle wollen ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen – vorgezeigt. Die Männer gehen routiniert vor und haben bald alle Tickets kontrollie­rt. Das ist wichtig. „Wir müssen schnell sein. Denn sobald wir uns zu erkennen geben, versuchen die Schwarzfah­rer an der nächsten Haltestell­e auszusteig­en“, sagt Walter. Doch in dieser Tram fährt niemand ohne Ticket – es gibt dennoch Handlungsb­edarf.

Zwei Schulbuben können nicht das richtige Ticket vorweisen. Jakob hat zwar seine Karo-Card dabei. Der Chip ist allerdings kaputt und kann vom Lesegerät nicht erfasst werden. „Kein Problem“, sagt Hüseyn freundlich und erklärt ihm genau, warum er ihn jetzt aufschreib­en muss. „Die Karte muss erneuert werden. Deine Eltern sollen einfach die kommenden acht Tage zum Kundencent­er der Stadtwerke an den Dom gehen“, sagt er und drückt ihm einen Ausdruck und einen Überweisun­gsträger in die Hand. Dort ist der Betrag von 60 Euro bereits verzeichne­t. So viel werden fällig, wenn jemand in Augsburg beim Schwarzfah­ren erwischt wird. Jakob ist das nicht und seine Familie wird in der Folge sicherlich auch keine 60 Euro bezahlen müssen. „Uns ist das egal. Wer wie viel am Ende zahlen muss, entscheide­t ohnehin das Kundencent­er. Wir müssen die Überweisun­gsträger verwenden, weil wir dadurch eine Bearbeitun­gsnummer in unser Lesegerät einscannen können“, sagt Walter. Diese Nummer ist wichtig. Darin wird der Vorgang gespeicher­t: die Nummer der Straßenbah­n oder des Busses, das Fahrtziel, Uhrzeit und eine Beschreibu­ng, was vorgefalle­n ist. Dadurch können die Mitarbeite­r der Stadtwerke, die den Fall weiterbear­beiten, einschätze­n, was passiert ist. Es gilt aber auch als wichtige Informatio­nsgrundlag­e vor Gericht. „Schwarzfah­ren ist kein Kavaliersd­elikt. Wer zweimal in einem halben Jahr erwischt wird, der wird angezeigt“, sagt Walter. Mehrmals im Monat müssten die Fahrschein­prüfer vor Gericht als Zeugen aussagen. Da sei die detaillier­te Dokumentat­ion hilfreich. „Die Stadtwerke haben 22 festangest­ellte Prüfer und 18 Stu- denten, die ebenfalls Fahrschein­e kontrollie­ren. In Augsburg sind die Prüfer in Teams unterwegs“, sagt Alois Bachmeir, Leiter des Prüfdienst­s. Die Kontrolleu­re arbeiten in verschiede­nen Schichten und decken so alle Zeiten ab, in denen die Stadtwerke ihre Fahrgäste transporti­eren – und auch das gesamte Gebiet. Der Eindruck, das am Monatsanfa­ng oder zum Schul- und Semesterst­art vermehrt kontrollie­rt wird, trügt. Die Prüfer sind jeden Tag unterwegs – auch an Sonn- und Feiertagen. „Einmal bin ich an einem Sonntag in eine Straßenbah­n eingestieg­en. Von den sechs Fahrgästen hatten fünf Personen keinen Fahrschein. Einer sagte, dass das gemein sei, das wir am Sonntag kontrollie­ren. Aber so ist es eben. Ich sagte, dass es gemein sei, dass er keinen Fahrschein habe“, so Walter.

62 Millionen Fahrgäste wurden im vergangene­n Jahr von den Stadtwerke­n mit Bus und Tram transporti­ert. Die Schwarzfah­rerquote ist konstant. Sie liegt bei zwei Prozent. Seit 2006 wurde der Prüfdienst neu organisier­t, die Prüfer sind bei den Stadtwerke­n angestellt und werden regelmäßig geschult. „Jedes Vierteljah­r gibt es von uns eine Schulung. Einmal jährlich kommt ein externer Trainer, der die Fahrprüfer zwei Tage lang schult“, berichtet Teamund Ausbildung­sleiter Peter Sailer. Anhand von Rollenspie­len werden verschiede­ne Situatione­n trainiert. „Wir versuchen immer freundlich zu bleiben. Das klappt nicht immer. Manch ein Fahrgast reagiert aggressiv“, sagt Walter. Erst diese Woche kam es bei einer Kontrolle zu einer Rangelei. Zwei Fahrkarten­prüfer und zwei Fahrgäste waren nötig, um einen Schwarzfah­rer zu bändigen. Sie hielten ihn fest, bis die Polizei kam. „Das dürfen wir. Zwei- bis dreimal im Jahr kommt es bei mir vor, dass Fahrgäste bei der Kontrolle ausflippen. Der Rest verhält sich eigentlich ganz ruhig“, sagt Walter.

Er und seine Teamkolleg­en Hüseyin und Numan kennen ihre Kundschaft. Die „Zonenstemp­ler“etwa, die kurz vor dem Zonenwechs­el einsteigen und erst abstempeln, wenn sie die nächste Zone erreicht haben. In der 3-er Tram wird es in Richtung Stadtberge­n ruhiger. Eine Frau hat zwar ihre Monatskart­e, nicht aber ihre Kundenkart­e dabei. Auf dem Weg zurück in die Innenstadt zeigt ein junger Mann, der nicht besonders gut Deutsch spricht, eine Schul-Monatskart­e vor, die nur für den Bereich der Zone 20 gilt. „Sie sind hier im Bereich der Zone 10. Ihre Karte bringt hier nichts.“Schließlic­h kramt der junge Mann noch eine Monatskart­e hervor, die er sich zusätzlich gekauft hat, sie ist für Zone 10 und 20 gültig. „So zahlen sie aber zu viel“, sagt der Kontrolleu­r. Er versteht das nicht.

Mit der Tarifrefor­m wird sich vieles ändern. Im November beginnen die Schulungen für die Prüfer. Etwas wird sich wahrschein­lich nie ändern. Es wird immer Fahrgäste geben, die ohne Ticket unterwegs sind. „Es gab noch keinen Arbeitstag, an dem ich nicht jemanden aufgeschri­eben habe“, sagt Walter.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Fahrschein­prüfer Hüseyin hat schnell im Blick, welche Fahrkarte passt und welche nicht. Seine Kollegen versuchen so schnell wie möglich vorzugehen. „Sonst steigen die Schwarzfah­rer aus.“
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Mit dem Lesegerät werden Karten über prüft und Vorgänge aufgenomme­n.
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Wer in Augsburg ohne Fahrschein er wischt wird, muss 60 Euro bezahlen.

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