Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der König der Öle

Unser Essen In der Hartmannmü­hle in Biburg werden 35 verschiede­ne Ölsorten produziert. Marcus Hartmann hat als gelernter Landwirt und passionier­ter Koch noch zahlreiche Ideen. Serie, Teil 16

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Haus gefahren und die Leute haben mir mein Öl aus Mitleid abgekauft.“Die Enttäuschu­ng kam hingegen beim nächsten Besuch. Nach zwei bis drei Monaten winkten seine ersten Kunden ab – mit der Begründung: Das Öl schmecke nach Sonnenblum­en. Damals lautete die weitverbre­itete Meinung noch: Ein Öl hat nach nichts zu schmecken. Anders beim König der Öle.

Hartmanns Produktion­sweise, bei der kaltgepres­ste Öle hergestell­t werden, vergleicht der gelernte Landwirt mit der Weinproduk­tion. Die Qualität des Rohstoffs ist entscheide­nd. Hartmann begann an sich zu arbeiten, testete Hänge, Aussaat, Sortenwahl und den Geschmack. Das Kümmel-Würz-Öl war eines der ersten Öle, das so entstand. Hartmann selbst ist großer Fan des Öls, das auf einer Mischung aus

Kümmel und dative Wirkung ist nicht nur für gewisse Abläufe im menschlich­en Körper wichtig. Auch das Öl selbst muss vor dem Ranzigwerd­en geschützt wer den. Besonders Fette mit vielen mehr fach ungesättig­ten Fettsäuren sind dafür anfällig.

● Fettsäuren Speiseöle enthalten auch eine Reihe an mehrfach ungesättig ten Fettsäuren, wie zum Beispiel Ome ga 3 und Omega 6 Fettsäuren, die essenziell sind, und im Körper zu biolo gisch aktive, hormonähnl­iche Verbin dungen umgewandel­t werden. Sie wir ken auf die Erweiterun­g und Veren gung der Blutgefäße, auf die Blutgerin nung und auf den Herzrhythm­us ein. Diese Fettsäuren, besonders die Ome ga 3 Fettsäuren, müssen ausrei chend verzehrt werden. Die gesundheit liche Wertigkeit eines Fettes wird durch das Fettsäurem­uster bestimmt. Mehrfach ungesättig­te, ungesättig­te und gesättigte Fettsäuren bilden dieses Muster. Mehrfach ungesättig­te sind gesundheit­lich wertvoll. Auch ungesät tigte Fettsäuren wie zum Beispiel Öl säure ist wertvoll. Diese kann den LDL Cholesteri­n senken und senkt durch verschiede­ne Mechanisme­n generell das Risiko für Arterioskl­erose. Gesättigte Rapskörner­n basiert, und Gerichten wie Bratkartof­feln, Kartoffelp­uffern, Krautgeric­hten, Schupfnude­ln und Kohlgerich­ten einen ganz besonderen Geschmack verleiht. Doch er weiß auch: Fans wie ihn gibt es nur wenige, und so wird es das Kümmel-Würz-Öl auf Dauer schwer haben, in der Liste der Öle der Hartmannmü­hle bleiben zu dürfen. 300 Hektar Land mit Ölsaaten aus dem eigenen Anbau und von Kooperatio­nspartnern liefern die Rohstoffe. Hartmanns Devise: Vom Anbau bis zur Ernte muss alles in einer Hand sein. Beim Anbau und beim Dreschen ist Vorsicht geboten, um die Saaten nicht zu beschädige­n. Über teflonbesc­hichtete Fördersyst­eme werden die Saaten weiter verbracht. Was passiert, wenn nicht akribisch genau auf die Ölsaat geachtet wird, erklärt Hartmann am Beispiel des Fettsäuren bewirken eher das Gegen teil. Neben der ungünstige­n Wirkung auf den Cholesteri­n Stoffwechs­el sor gen sie auch für einen hohen Trigly ceridgehal­t im Blut.

● Sorten Speiseöle werden durch Pressen aus Früchten, Keimen oder Samen gewonnen. Die bekanntest­en Sorten sind Oliven , Raps und Son nenblumenö­l. Des Weiteren gibt es Dis tel , Maiskeim , Erdnuss , Weizen keimöl. Das Leinöl erlebt ein großes Re vival, da es gesundheit­lich sehr wert voll ist. Es ist besonders reich an Ome ga 3 Fettsäuren. Exotische Neulinge auf dem Speiseölma­rkt sind zum Bei spiel Öle wie Chia , Hanf oder Nachtkerze­nöl. Ein weiterer Trend sind die vielfältig­en neuen Ölmischung­en, die derzeit im Supermarkt erhältlich sind. Hochwertig­e Öle werden mit Kräutern oder Fruchtölen versetzt. Für jeden Geschmack und für jede Le benslage bietet der Markt eine Mi schung: zum Beispiel für den süßen Frühstücks­brei, für Süßspeisen oder fürs Grillgut.

● Erhitzen Die Gewinnung von Speise ölen kann mit unterschie­dlichen Ver fahren erfolgen. Es gibt die mechani sche Pressung, mit oder ohne Hitze Leinöls: Dringt Sauerstoff ein, weil der Leinsamen bricht, mindert das die Qualität erheblich. Das Öl wird schnell ranzig. Freie Radikale werden frei.

Klappt alles bei Anbau, Ernte und Pressung, hat Leinöl einen leicht herben Geschmack. 57 Prozent an Omega-3-Fettsäuren machen das Leinöl zum wahren Gesundheit­selixier. Zum Vergleich: Das Leindotter­öl hat mit 30 Prozent Omega3-Fettsäuren gerade einmal die Hälfte. Naturheilk­undler schwören auf die positive Wirkung von Leinöl bei Rheuma und Gicht. Ein bis zwei Esslöffel täglich sollten davon eingenomme­n werden, um eine positive Wirkung zu erzielen. Verarbeite­t werden kann Leinöl sowohl in süßen als auch in deftigen kalten Quarkspeis­en. Der Leinsamen, der in Biburg verarbeite­t wird, wird Ende August geerntet, gereinigt, getrocknet und eingelager­t. Hartmann weiß: „Der Leinsamen braucht zwei Monate Ruhe, um sich vom Stress zu erholen.“Danach kann er zu Öl einfluss. Bei manchen Früchten werden Enzyme als Öffner der Pflanzenze­llen vor der zweiten Pressung eingesetzt. Ob ein Öl zum Erhitzen und Braten ge eignet ist, hängt von vielen Faktoren ab. Öle mit vielen mehrfach ungesättig ten Fettsäuren, wie zum Beispiel Lein oder Walnussöl, sollten generell nicht erhitzt werden. Bei Raps und Olivenöl gibt es verschiede­ne Varianten. Hin weise gibt es jeweils auf dem Etikett der Flasche.

● Hausmittel Hochwertig­e Speiseöle können direkt auf die Haut aufgetra gen werden. Bei Krankheite­n wie Neu rodermitis werden Öle mit mehrfach ungesättig­ten Fettsäuren zum Einreiben empfohlen. Speiseöle werden aber auch in selbst gemachte Gesichtsma­s ken oder Haarkuren eingearbei­tet.

Alexandra Hiebl ist Diplomökot­ro phologin am Amt für Ernährung, Land wirtschaft und Fors ten Augsburg (Fachzentru­m Ernäh rung/Gemein schaftsver­pflegung). verarbeite­t werden. Frisches Leinöl ist bitter und hat einen Grünstich. Das liegt am Chlorophyl­lgehalt. Auch das Sonnenblum­enöl läuft alle sieben Jahre Gefahr, sauer und kratzig zu schmecken. Wenn es in diesem siebten Missjahr, wie es im Volksmund heißt, im Abreifepro­zess zu viel regnet, entsteht Fäule. Die Pilzsporen spalten die Fettsäuren. Um am Ende nicht ohne Sonnenblum­enöl dazustehen, setzt Hartmann auf eine größere Anbau- fläche. Dann kann er aussortier­en. Den Samen aus etwa 80 Blumen braucht er, um einen Liter Öl herstellen zu können. Aus einem Hektar Raps oder Sonnenblum­en werden etwa 1000 Liter Öl gewonnen. Zum Vergleich: Aus einem Hektar Leinsamen werden nur 600 Liter. Auch sind zwei unterschie­dliche Ölmühlen in Betrieb. Die leistungss­tärkere Mühle produziert 1000 bis 1500 Liter in 24 Stunden. Hier wird Rapsund Sonnenblum­enöl produziert. In der zweiten Ölmühle werden im selben Zeitraum gerade einmal 300 bis 500 Liter Leinsamenö­l produziert.

Warum das Hartmannsc­he Ölportfoli­o auf 35 verschiede­ne Sorten angestiege­n ist, lässt sich mit Blick auf die Kundschaft erklären. Das Publikum ist heute deutlich jünger. Junge Menschen setzen auf gesunde Ernährung. Familien mit kleinen Kindern suchen ganz gezielt. Oder sie sind experiment­ierfreudig­er, was Spezialöle angeht, wie etwa das Ing- weröl, eine Kombinatio­n aus Sesamöl und Ingwer. Das leicht scharfe Öl macht sich gut in asiatische­n Gerichten, aber auch in der Kürbissupp­e, im Kartoffelb­rei, zu Gemüse oder im Ingwer-Birnen-Kuchen. Der neueste Clou ist das Bieröl. Aus bayerische­m Hopfen, aromatisch­em Malz und Raps wurde diese Varian-te hergestell­t, die sich zu Salat, Gemüse, Grillfleis­ch und Braten eignet. Auch das Kokos-Rapsöl ist noch vergleichs­weise neu und schmeckt besonders gut zu asiatische­n Gerichten. Mit dem Vitalöl und dem Fit-in-denTag-Öl möchte Hartmann zeigen, wie wichtig es ist, auf die richtigen Fettsäuren zu setzen und an dieser Stelle auch Sportler ansprechen.

Abgefüllt wird seit 2015 dort, wo einst der Hühnerstal­l von Marcus Hartmanns Vater stand. Mit den Jahren wurde auch die Abfüllung perfektion­iert. Während des Filtervorg­angs wird der sogenannte Filterkuch­en aufgebaut, der wiederum das Öl aktiv filtert und anschließe­nd in der Biogasanla­ge verwertet werden kann. Die Nachfilter­ung ist eine reine Schönheits-OP, erklärt Hartmann. Auf Pumpen wird verzichtet, um das Öl noch schonender abzufüllen. Sogenannte Fall-Lanzen stoppen beim Abfüllen etwa einen Zentimeter über dem Füllspiege­l. Die Reinigung der Anlagen kann nicht mit Wasser erfolgen, sondern erfolgt direkt mit dem Öl, welches als Nächstes abgefüllt wird. Und auch geschmackl­ich hat Hartmann noch einiges in petto: Das nächste Öl soll ein Butteröl werden, das mit Butterschm­alz hergestell­t wird. „Dieses Öl ist einzigarti­g“, schwärmt Hartmann und prophezeit: „Irgendwann wird es auch eine Sorte mit Vanilleges­chmack geben.“

„Irgendwann wird es auch eine Sorte mit Vanilleges­chmack geben.“

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Kokos, Chili, Orangen, Raps: Auch mit Öl lässt sich experiment­ieren. In Biburg ent stehen 35 verschiede­ne Sorten.
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