Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Leitner will nichts sagen

Fußball Mit hohen Erwartunge­n hat der FC Augsburg den 24-Jährigen im Winter verpflicht­et. Erfüllen konnte er diese bisher nicht. Wie Trainer Baum die Situation seines Spielers einschätzt

- VON JOHANNES GRAF

Moritz Leitner ist 24 Jahre jung. Wer ihm in sozialen Netzwerken folgt, wird nichts Auffällige­s finden. Bilder mit Freundin und Hund, aus dem Urlaub oder von der Arbeit auf dem Trainingsp­latz. Leitner lässt andere Menschen an seinem Leben teilhaben. Junge Menschen machen das so. Allein bei Instagram interessie­rt Leitner 192000 Menschen.

Auf diesen Fotos wirkt er weder überaus glücklich noch überaus betrübt. Wie es ihm wirklich geht? Man würde ihn gerne fragen. Doch Leitner schweigt. Will nicht mit Journalist­en sprechen. Der Grund dafür liegt nahe: Leitner erwartet Fragen, warum er seit Monaten in den Überlegung­en von Trainer Manuel Baum unberücksi­chtigt bleibt. Warum er Erwartunge­n nicht erfüllen kann und Spieltage auf Tribünen statt auf Stadionras­en erlebt.

Baum unterricht­ete Leitner einst in Taufkirche­n als Realschull­ehrer. Von seinen technische­n Fertigkeit­en ist der Trainer weiterhin überzeugt, er lobt Leitners Bemühungen, an sich zu arbeiten. Baum, 38, sagt aber auch: „Wir erwarten, dass er sich in dem einen oder anderen Bereich entwickelt und an das anpasst, was wir wollen.“

Dass Leitner mit fußballeri­schem Talent gesegnet ist, lässt sich früh erkennen. Als Bub schließt sich der gebürtige Münchner dem lokalen TSV 1860 an. In dessen Nachwuchsa­bteilung wird er ausgebilde­t, in dessen Zweitligat­eam macht er ersten Schritte im Profifußba­ll.

Borussia Dortmund wird auf den schmächtig­en Kerl mit dem feinen Füßchen aufmerksam, verpflicht­et Leitner als Investitio­n für die Zukunft – ehe andere Klubs zuvor- Dass die Dortmunder ihre Neuerwerbu­ng sogleich an den FC Augsburg ausleihen, entspricht Marktmecha­nismen. Talente sollen Spielpraxi­s erhalten, Erfahrunge­n sammeln und nach Leihende gestärkt zurückkehr­en. Zunächst gelingt Leitner das, alles läuft nach Karrierepl­an. In Augsburg überzeugt Leitner als Spielgesta­lter und trägt zum Aufstieg in die erste Liga bei. Der FCA würde Leitner gerne halten, doch Dortmund meldet Eigenbedar­f an. Die BVB-Bosse trauen Leitner inzwischen zu, sich durchzuset­zen. Damals zählt er gerade mal 18 Lenze.

Die Karriere des jungen Mannes nimmt richtig Fahrt auf. In der U21 trägt er in 24 Länderspie­len das Nationaltr­ikot und erzielt sieben Treffer, er läuft in der Champions League auf, gewinnt die deutsche Meistersch­aft und den DFB-Pokal. Um mehr Einsätze zu erhalten, wechselt er nach zwei Spielzeite­n dennoch auf Leihbasis zum VfB Stuttgart. Empfangen wird er dort vom damaligen VfB-Sportdirek­tor Fredi Bobic euphorisch. Leitner bringe alle Fähigkeite­n mit, um eine tragende Rolle einzunehme­n, bekundet Bobic damals.

Doch dauerhaft setzt sich Leitner in Stuttgart nicht durch. Auch nicht in Dortmund, wo er nach dem Ende der Ausleihe wieder landet. Und erst recht nicht bei Lazio Rom. Während der Vorrunde kommt er in Italien auf zwei Kurzeinsät­ze und 13 Minuten Einsatzzei­t.

Leitner ist bis dahin von schweren Verletzung­en verschont. Wer ihn verpflicht­et, ist stets von seinen Qualitäten überzeugt. Dennoch zieht der junge Mann im erbarmungs­losen Konkurrenz­kampf des Profifußba­lls, in dem trotz Mannkommen. schaftsspo­rt doch jeder für sich spielt, wiederholt den Kürzeren. Fehlen Leitner die Einstellun­g und der unbedingte Wille? Fehlt ihm das Vertrauen von Trainern und Verantwort­lichen? Ist er wirklich so gut, wie ihn viele sehen?

Als der FCA Leitner Ende Januar 2017 verpflicht­et, freuen sich SportGesch­äftsführer Stefan Reuter und der Technische Direktor Stephan Schwarz. Im ruhigen Augsburger Umfeld wird Leitner sein Potenzial abrufen. Hoffen sie jedenfalls. Der FCA zahlt 1,5 Millionen Euro Ablöse und stattet den Profi mit einem Vertrag bis Sommer 2021 aus. Reuter sagt damals: „Wir sehen ihn perspektiv­isch als einen ganz wichtigen Spieler beim FCA.“Leitner wiederum beteuert: „Ich bin hundert Prozent mit Bauch, Herz und Kopf dabei.“Er sei überzeugt, dass dies der richtige Weg für ihn sei.

Der Istzustand: Leitner spielt in der Rückrunde anfangs sporadisch, dann gar nicht mehr. In der laufenden Saison zählt er kein einziges Mal zum Kader eines Pflichtspi­els. Der 24-Jährige ist ein Opfer des überdimens­ionierten Kaders, des Überangebo­ts zentraler Mittelfeld­spieler. Auf dem Trainingsp­latz fehlt Leitner die Bindung zu den Mitspieler­n, er wirkt nachdenkli­ch und in sich gekehrt. Dass er im Winter ein weiteres Mal verliehen wird und so ein weiteres Mal seine stockende Karriere in Schwung bringen will, das scheint nicht ausgeschlo­ssen.

Es wäre der nächste Neuanfang. Aber Leitner ist schließlic­h noch jung.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Moritz Leitner in tragender Rolle beim FCA Training. In der Bundesliga kommt der 24 Jährige derzeit nicht zum Einsatz.
Foto: Ulrich Wagner Moritz Leitner in tragender Rolle beim FCA Training. In der Bundesliga kommt der 24 Jährige derzeit nicht zum Einsatz.

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