Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mittendrin im normalen Leben

Kunst Claudia Weil eröffnet in der Bergstraße in Göggingen eine Zweigstell­e ihrer Galerie in Rinnenthal. Dort will sie einen Experiment­ierraum schaffen

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Die Kunst mittendrin im ganz normalen Leben zu verorten – dieser Gedanke gefällt Claudia Weil sehr gut. Mit einer Dependance ihrer in Friedberg-Rinnenthal angestammt­en Galerie setzt sie ihn nun in die Tat um. Es ist ein kleiner Raum in der Gögginger Bergstraße, ein ehemaliger Laden in einem Wohnhaus: einfacher Estrichbod­en, hohe weiße Wände, ein großes Schaufenst­er und eine Holztür. Kein eleganter Showroom, fernab gelegen in der Vorstadt. Wer hier vorbeikomm­t, ist auf dem Weg zum Einkaufen, will in den Biergarten gegenüber oder nach Hause. Trotzdem ist es kein kunstferne­r Ort: Auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te hat sich bereits der „Fotodiskur­s“von Christoph Rehm in einem Pavillon etabliert.

Hier will Claudia Weil nun einen Experiment­ierraum schaffen, sich ein zweites Standbein aufbauen. Seit 1997 betreibt sie in Friedberg-Rinnenthal zusammen mit ihrem Mann, dem Künstler Thomas Weil, eine Galerie. In ihrem Privathaus und im Garten stellt sie nationale und internatio­nale Künstler aus. Einen Na- men gemacht hat sie sich vor allem mit abstrakter Kunst, ein Genre, das sie selbst bevorzugt. „Ich will keine Geschichte erzählt bekommen, sondern mich frei auf meine Gedanken einlassen“, erklärt sie.

Wie Kunst zur Auseinande­rsetzung herausford­ert, hat Claudia Weil schon während ihrer Schulzeit entdeckt. Die gebürtige Augsburger­in, die in Bonn aufgewachs­en ist, studierte deshalb nach dem Abitur Kunsterzie­hung. Doch sie erkannte schnell, dass der Lehrerberu­f nicht ihre Sache war. „Das war mir zu starr, wie hier Kunst vermittelt wurde.“So ging sie nach dem Studium nicht in die Schule, sondern als Assistenti­n des Verlegers zum BeckVerlag nach München. Dort lernte sie ihren Mann kennen, der aus einer eingesesse­nen Künstlerfa­milie stammt, und mit ihr zusammen die Nachlässe seiner Familie betreute. Zur eigenen Galerie war da der Weg nicht mehr weit. Ein Haus in Rinnenthal, das ihrer Familie gehörte, bauten die Weils aus, um geeignete Räume zu haben.

Hier stellt Claudia Weil nun nicht nur aus, sondern vermittelt Künstler auch an andere Galerien weiter und verkauft deren Bilder. „Künstler sollten auch von der Kunst leben können“, sagt sie und spricht davon, wie mühsam es ist, Fuß zu fassen, wenn man nicht zu der Handvoll Top-Künstler zählt, auf die sich die Galerien stürzen. Sie spricht damit nicht nur den finanziell­en Aspekt an, sondern auch einen existenzie­llen. „Künstler zu sein, ist eine Lebensents­cheidung, die immer wieder auch in Tiefen und Krisen führt“, weiß sie. Denn „Kunst gibt keine Antworten, sondern sie provoziert Fragen“.

Monika Huber, die nun als Erste den Raum in der Bergstraße „bespielt“, hat eine dieser Krisen hinter sich, erzählt Claudia Weil. Als Huber 2011 in Athen ausstellte, erlebte sie die Unruhen auf dem SyntagmaPl­atz mit. Sie fragte sich, welchen Stellenwer­t gemalte abstrakte Bilder angesichts all der über Handys und Videos übermittel­ten Bilder noch haben können. Mittlerwei­le verwendet Monika Huber dokumentar­isches Material und bearbeitet es für eigene Videos. In der Galerie Weil ist jetzt ihr Werk „Camouflage“zu sehen. In Anlehnung an Caspar David Friedrichs berühmtes Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer“sieht man zu Beginn das Rückenbild eines Mannes in einer Landschaft. Diese verwandelt sich nach und nach in ein Tarnmuster, in eine Camouflage, in der sich die Figur des Mannes auflöst. „Camouflage, das ist nicht nur Tarnung, sondern auch Vereinheit­lichung, Auflösung, Bedrohung, aber auch Rettung“, erläutert Weil.

Als Projektion­sfläche für Hubers Videopräse­ntation hat Claudia Weil die große Schaufenst­erscheibe mit Buttermilc­h bestrichen. Zu sehen ist das Video von der Straße aus, im Inneren der Galerie hängen an den weißen Wänden noch einige Stills, also Momentaufn­ahmen aus dem Film. Doch schon bei den nächsten Ausstellun­gen kann der Raum ein ganz anderes Gesicht bekommen, denn die Bergstraße 11 ist nun ein Ort für Experiment­e.

O

Galerie Weil, Bergstraße 11; immer mittwochs von 18 bis 20 Uhr ist Clau dia Weil in der Galerie anwesend, die Videopräse­ntation ist bis 12. November täglich von 18 bis 21 Uhr von außen sicht bar; Vernissage in der Bergstraße ist am heutigen Donnerstag um 19.30 Uhr

 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? „Kunst gibt keine Antworten, sie provoziert Fragen“, sagt die Galeristin Claudia Weil. In der Bergstraße in Göggingen gibt es nun eine Zweigstell­e ihrer Galerie in Friedberg Rinnenthal.
Foto: Fred Schöllhorn „Kunst gibt keine Antworten, sie provoziert Fragen“, sagt die Galeristin Claudia Weil. In der Bergstraße in Göggingen gibt es nun eine Zweigstell­e ihrer Galerie in Friedberg Rinnenthal.

Newspapers in German

Newspapers from Germany