Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Augsburg soll ein besonderes Hotel erhalten

Projekt Der Verein „Einsmehr“, in dem sich Eltern von Kindern mit Downsyndro­m engagieren, will ein Hotel mit über 60 Zimmern im Westen der Stadt eröffnen. Dort sollen Menschen mit und ohne Behinderun­g arbeiten

- VON MIRIAM ZISSLER

Das Stadthaush­otel in Hamburg-Altona gibt es seit 1993. Das ist an und für sich noch nichts Besonderes. Besonders ist es dennoch: Nach ihren Angaben ist es das erste Integratio­nshotel Europas. Dort arbeiten Menschen mit und ohne Behinderun­g. In den vergangene­n Jahren wurden in vielen Städten Hotels eröffnet, die Menschen mit Handicap eine Chance auf dem ersten Arbeitsmar­kt geben. Wenn alles klappt, soll am 21. März 2020 in Augsburg auch ein Inklusions­hotel eröffnen.

Das Datum kommt nicht von ungefähr: Es ist der Welt-Downsyndro­m-Tag. Im Verein „Einsmehr“haben sich in Augsburg und Umgebung Eltern von Kindern mit Downsyndro­m zusammenge­tan. Der Name „Einsmehr“kommt daher, dass die Kinder ein Chromosom mehr haben als andere Menschen. Das 21. Chromosom gibt es dreimal. Deswegen spricht man auch von Trisomie 21 und daher ist der 21. März der Welt-Downsyndro­mTag.

Die Initiative will die Inklusion auf dem Arbeitsmar­kt vorantreib­en und deshalb das Hotel eröffnen. Die Pläne sind weit vorangesch­ritten. Vor drei Jahren wurden die ersten Ideen geschmiede­t. „Wir sind schnell auf das Thema Hotel gekommen, da es dort unterschie­dliche Tätigkeite­n gibt, die auch von Menschen mit Behinderun­g ausgeführt werden können, wie den Frühstücks­service, Arbeiten im Bereich Küche, Reinigungs­dienst oder Zimmerserv­ice“, erklärt Projektlei­ter Jochen Mack. Zudem mangele es in Augsburg an Hotels. Mack: „Gerade zu Zeiten des Oktoberfes­ts, FCA-Spielen, oder Messen wie derzeit der Interlift sind die hiesigen Hotels schnell ausgebucht“.

Die Idee wurde in einem Wirtschaft­splan fixiert. Die Organisati­on „Aktion Mensch“unterstütz­te die ersten Schritte mit 15 000 Euro. „Damit haben wir unser Konzept von zwei Unternehme­nsberatern prüfen lassen, die auf inklusive Projekte spezialisi­ert sind. Durch den Wirtschaft­splan sollte herausgefu­nden werden, ob sich das Hotel selber tragen könnte“, sagt Mack.

Das Ergebnis der Prüfungen war positiv. Und so konnten die Planungen in den vergangene­n Monaten und Jahren voranschre­iten und sind nun schon recht konkret. So soll das Hotel, das Einsmehr heißen soll, im Westen Augsburgs in direkter Nachbarsch­aft zum Klinikum eröffnen. Die Bedarfspro­gnosen des Quartiers sieht der Verein durch die Umwandlung des Klinikums zur Uni-Klinik als sehr positiv an. „Durch die Straßenbah­nlinie 5 wird auch die Anbindung an die Innenstadt deutlich verbessert“, betont Mack. Das neu gebaute Hotel soll über 50 Zimmer und 16 Boardingho­uses verfügen. Letztere Zimmer könnten bis zu sechs Monaten bewohnt werden und würden sich etwa für Gastdozent­en der Uni-Klinik anbieten oder Arbeitskrä­fte, die noch in der Probezeit sind.

22 Mitarbeite­r soll das Hotel einmal zählen – elf von ihnen sollen Menschen mit Handicap sein. „Wir wollen auch Menschen mit einer geistigen Behinderun­g integriere­n“, sagt der Projektlei­ter.

Der Verein will das Projekt klar von der sonstigen Arbeit trennen und wird im nächsten Schritt eine gGmbH innerhalb von Einsmehr gründen. Dieser Schritt wird rund 25000 Euro kosten. Die 100 Mitgliedsf­amilien und Freunde des Vereins sollen je zehn Personen animieren, mindestens 25 Euro zu spenden. „Damit wäre der Anfang geschafft. Doch es gibt noch einen viel höheren Betrag zu stemmen. Das Hotel wird einen hohen sechsstell­igen Betrag kosten“, betont Jochen Mack. Die Elterninit­iative wird allerdings nicht als Hotelbetre­iber fungieren. Sie werden im Aufsichtsr­at sitzen, das Hotel soll selbststän­dig geführt werden. „Die Mitarbeite­r werden ebenfalls von einer externen Person engagiert. Denn es soll nicht den Eindruck erwecken, dass wir nur für unsere Kinder Jobs errichten wollen“, sagt die Vereinsvor­sitzende Karin Lange. Ihr Sohn Nikolas habe seine Leidenscha­ft fürs Kochen entdeckt. Der 13-Jährige hat Downsyndro­m und besucht die Montessori-Schule. Er hat bereits Praktika in Küchen absolviert, zuletzt hat er im Betriebsre­staurant der Lechwerke gearbeitet. Dort habe er mit Begeisteru­ng Nudeln ausgegeben. „Auch nach drei Stunden hat er noch jedem Gast freundlich einen Guten Appetit gewünscht“, erzählt Karin Lange. Genau diese Offenheit und Freundlich­keit werde auch im Hotel für eine besondere Atmosphäre sorgen, sind sich die Mitglieder des Vereins Einsmehr sicher.

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