Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So schön, so bitter

Entlang der Wertach kommt man nahezu perfekt von Süd nach Nord. Ein toller Weg, der zugleich bittere Realitäten zeigt

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Weg dort auf einer brutalen Holperstre­cke unter der Brücke oder an zwei hohen Bordsteink­anten auf Straßenhöh­e. Kein Treppen- aber doch ein Brückenwit­z. Den beharrlich­en Pferseern und anderen sei Dank, denn inzwischen hat die Stadt einen Weg unter der Brücke gebaut. So geht es dahin nach Norden.

Kurz weg von der Wertach, weil die Ackermann-Brücke saniert wird. Dann wieder hin, hinein nach Oberhausen. Das ist der Stadtteil, in dem die Römer schon vor gut 2000 Jahren ein erstes Militärlag­er gebaut haben. Nahe der Wertach. Es geht also zu den Wurzeln der Stadt. Und wenn man zwischen buntem Herbstlaub und Wertach (hier noch eingepferc­ht in ein enges Bett) radelt, kann man Oberhausen lieben lernen.

Der Stadtteil mag nicht den besten Ruf und seine Probleme haben. Aber es ist schön hier. Jenseits der Wertachbrü­cke drücken sich kleine Häuschen bis fast an Ufer her. Es

ist grün, oder besser gesagt, jetzt im Herbst bunt. Ein Biber hat seine Fress-Spuren an einem Baum hinterlass­en und der Blick auf den Zusammenfl­uss von Lech und Wertach ist immer eine Pause wert. Manches darf man aber auch nicht verschweig­en. Auf einer Bank in einem kleinen Park an der Wertach schläft ein Mann im Schlafsack. Auch wenn es untertags warm ist: Die Nächte sind schon verdammt kalt und der Winter kommt erst noch. Und unter der Brücke in der Dieselstra­ße radelt man direkt an einem „Bett“vorbei: Eine Matratze liegt dort, daneben steht ein Fahrrad. Ich fühle mich, als wäre ich mitten in eine Bleibe gefahren; von Wohnung mag man nicht sprechen. Es ist niemand da, doch die Not, von der man liest und spricht, ist plötzlich ganz unmittelba­r da.

Darüber kann man nachdenken auf dem weiteren Weg. Und sich die schönen neuen Häuser im Norden Oberhausen­s anschauen, um wenig später – etwas abseits der Wertach – an den Not-Wohnungen im Fischerhol­z vorbeizuko­mmen. Zwei Welten, in unmittelba­rer Nachbarsch­aft. Der Lärm der Autobahn holt mich zurück. Gersthofen ist erreicht. Schön war’s, aber mit bitteren Einblicken.

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P.S. Die Strecke lässt sich zu einer Runde ausbauen, wenn man den Rückweg am Lech in Angriff nimmt und dann etwa an der Uni entlang zurück nach Göggingen fährt. Diese Tour ist auch in unserem Heft Radl mit! enthalten, das unter: augsburger allgemeine.de/shop bestellt werden kann.

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