Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mit Mangas in eine andere Welt eintauchen
Hobby In Königsbrunn treffen sich regelmäßig Jugendliche, um die japanischen Figuren zu malen. Zwei Zeichnerinnen erklären, was Anfänger beachten müssen und was Cosplay eigentlich ist
Königsbrunn Der Raum ist erfüllt von ausgelassenen Unterhaltungen und immer wieder schallt fröhliches Gelächter über den Zeichentisch. Dennoch ist das Geräusch von Stiften, die über Papier kratzen, nicht zu überhören. Kein Wunder, denn die Mitglieder der Manga-Jugendgruppe in Königsbrunn arbeiten an ihren Zeichnungen.
Über 15 junge Hobby-Mangaka haben sich an diesem Tag versammelt, um ihrer Leidenschaft nachzugehen: Mangas zeichnen. Seit den 1970ern gibt es die japanischen Comics schon in Deutschland, in den vergangenen Jahren wurden sie immer beliebter. „Wenn ich Mangas lese, bin ich in einer anderen Welt, weit weg vom wirklichen Leben. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“, erklärt Vivian Christophel.
In der Mangagruppe hat sie auch ihre Freundin und Zeichenkollegin Jessica Hofmann kennengelernt. Im Moment verpasst Jessica der Figur vor sich einen blauen Umhang. „Ich benutze vor allem Bleistifte und normale Holzfarben. Manche Leute schwören aber auf Copics, das sind spezielle Filzstifte, die oft beim Malen von Mangas und Comics verwendet werden.“
Sonst sieht es auf ihrem Platz ganz normal aus, keine geheimen Wunderwerkzeuge. Und trotzdem schafft sie mit Stift und Papier ein wahres Wunderwerk. „Natürlich gibt es ein paar Tipps für Anfänger“, erklärt die 21-Jährige. Sie selbst hat bei ihren ersten Mangas oft die Hände hinter dem Rücken verschwinden lassen oder die Füße versteckt. Gerade zu Beginn sei es sehr schwer, bei den Figuren die richtigen Proportionen zu finden. Die Größe der Körperteile hänge stark von der Perspektive ab. „Deshalb ist es einfacher, die Manga-Figur nur bis zum Oberkörper und nicht ganz zu zeichnen“, sagt Jessica.
Anfänger sollten außerdem mit dem Gesicht beginnen, da es die meisten Emotionen ausdrückt und somit am Wichtigsten ist, erklären die beiden. Besonders die typischen, übergroßen Augen können mehr sagen, als in den Sprechblasen steht. Vivian malt am liebsten arrogante Augen. „Um das zu üben, muss man sich einfach trauen, Neues auszuprobieren.“
Schon als kleines Kind hat die 22-Jährige mit ihrer Schwester Pokémons gezeichnet und ist schließlich zu den Mangas übergegangen. Sie liebt es, eigene Figuren zu erfinden. „Beim Zeichnen kann ich mich richtig gut in die Person hineinversetzen, die ich gerade aufs Papier bringe. Wenn sie lächelt, muss ich oft selbst lächeln.“Und es stimmt. In diesem Moment lächelt Vivian genauso wie manche ihrer gezeichneten Mangas.
Ganze Geschichten schreibt niemand aus der Gruppe. Ein richtiger Mangaka, also Manga-Autor und Zeichner, steht nämlich unter enormem Druck, sagen Vivian und Jessica. Die Deadlines der Verlage müssen eingehalten werden, sodass wöchentlich neue Kapitel in den Magazinen erscheinen können. Die beiden malen stattdessen lieber einzelne Bilder und lesen die Mangas der professionellen Autoren aus Japan. Wie viele Mangas sie selbst zu Hause haben, wollen die beiden fast nicht verraten. Es seien einfach zu viele. Vivian schätzt schließlich, dass ungefähr 50 der japanischen Comics in ihrem Regal stehen müssten.
Um ein richtiger Manga-Fan zu werden, gehört noch mehr dazu, als nur zu zeichnen und zu lesen. Die wahren Fans besitzen mindestens ein Cosplay. Diese Manga-Kostüme stellen einen bestimmten Charakter dar. Meistens müssen sie über das Internet direkt aus Japan bestellt werden. „Die meisten Cosplays sind ziemlich teuer. Versand- und Zollgebühren treiben den Preis in die Höhe“, erklärt Jessica. Die Kostüme kosten laut der 22-Jährigen bis zu 500 Euro. Meistens trägt sie die Cosplays nur an speziellen Veranstaltungen der Manga-Jugendgruppe.
Vivian hat sich mit einem ihrer zehn Cosplays sogar einmal in die Stadt getraut: „Natürlich haben meine Freunde und ich komische Blicke geerntet, aber wir wurden auch häufig von neugierigen und aufgeschlossenen Passanten wegen unserem Outfit angesprochen. Es war einfach nur lustig.“
Vorurteile können die beiden nicht verstehen: Es sei einfach traurig, dass manche Leute sie nur schräg anschauen, anstatt es selbst einmal auszuprobieren. Die meisten Menschen denken, Mangas seien nur langweilige Comics für Kinder und Jugendliche, aber in Wahrheit gebe es auch viele Mangas für Erwachsene.
Die Auswahl der japanischen Comics ist so groß, dass es den beiden schwerfällt, einen Lieblingsmanga zu finden. In einer Sache sind sich die beiden Freundinnen jedoch einig: Sie würden richtig gerne nach Japan fahren. Vivian plant schon eine dreiwöchige Sprachreise in die Heimat der Mangas. Bis es so weit ist, muss sie ihre Vorfreude weiter mit den anderen Jugendlichen in der Königsbrunner Zeichengruppe ausleben.
Die übergroßen Augen können mehr sagen, als in den Sprechblasen steht