Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Fingerfund von Bremen
Tatort: Zurück ins Licht
ARD, Sonntag, 20.15 Uhr Ein abgetrennter Finger samt später nachfolgendem Körper ist ja nichts Neues. Man hätte in Großbritannien ein sarkastisches Gesellschaftsspiel aus dem Stoff gemacht. Bei uns darf der „Tatort“ein Wirtschaftskrimi sein wie „Zurück ins Licht“, wo der Ermordete, dessen Leiche erst nach acht Monaten auf dem Parkdeck gefunden wird, zu Lebzeiten ein verbrecherischer Pharmahändler war.
Kennt man ja: Medikamente für Chemotherapien billig im Ausland kaufen und bei uns mit Topzuschlag verhökern. Doch so vordergründig wollte man bei Radio Bremen nicht vorgehen. Hier steht eine überkandidelte Karrierefrau im Mittelpunkt einer den Krimi dominierenden eher mittelmäßigen Psychostudie.
Die Pharmareferentin Maria Voss kann es nicht ertragen, ohne Job zu sein, wo sie doch allen Firmen, für die sie früher gearbeitet hat, dicke Umsätze beschert hat. Wie zäh die Frau ist, die um jeden Preis „zurück ins Licht“will, zeigt ihr unbändiger Wille nach einem Autounfall in der Mordnacht, als sie sich nach Monaten im Koma zurückkämpft. Was für eine Frauenrolle! Maria Voss glaubt, dass sie die Beste ist: Sie setzt Sex fürs Erreichen ihrer Ziele ein und feiert sich in den Bildern ihres Tablets als Hohepriesterin der rhetorischen Überzeugungskraft. Eine große Rolle, die Nadeshda Brennicke spielen darf. Und die sie nur mit Mühe bewältigt. Wer Millionen rangeschafft hat, müsste kalt sein wie eine Hundeschnauze, aber sie überdreht, wirkt, als wäre der Nervenzusammenbruch nur eine Frage der Zeit. Dass der gute Stedefreund sich auf einen Quickie mit Maria einlässt, ist nur aus seiner privaten Situation heraus zu verstehen.
Den Gegenpol liefert – nein, nicht Sabine Postel als stets etwas mufflige Ermittlerin Inga Lürsen – sondern die unberechenbare, coole BKAFrau Linda Selb (Luise Wolfram). Wie sie und Stedefreund mit knochentrockenem Humor ihre Beziehung sezieren, hat Klasse. „Linda, wer bist du?“Antwort: „Ich bin viele.“Dreimal noch gibt es das Duo Lürsen/Stedefreund. Dann sind sie Geschichte. Linda Selb hoffentlich nicht. Rupert Huber