Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Wertinger Kleinstadt­idylle zeigt Risse

Bürgervers­ammlung Die Einwohner der Zusamstadt hörten einen Bürgermeis­ter, der das Bild einer durchweg funktionie­renden Stadtgemei­nschaft zeichnet. Bei Nachfragen wackelt dieses Bild dennoch an einigen Stellen

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen Viele angenehme Fakten und kommende Projekte teilte Bürgermeis­ter Willy Lehmeier den Wertingern mit. Doch völlig zufrieden war er mit seinem Vortrag am Ende dennoch nicht. „Ich habe ja noch sieben vor mir“, sagte Lehmeier in Anspielung auf den Bürgervers­ammlungsma­rathon, der ab dem 6. November erst richtig beginnt. Im Verlauf der nächsten Vorträge erwartet Lehmeier noch eine Steigerung in seiner ohnehin schon flüssigen Präsentati­on.

Doch abseits der Vortragswe­ise präsentier­te Lehmeier den Gästen eine Kleinstadt fast ohne Makel. Er führte durch die Projekte, die in den kommenden Jahren anstehen. Neuigkeits­wert hatte dabei vor allem der Ausbau der Staatsstra­ße 2027, die vor allen Dingen begradigt werden soll. Zwei Millionen Euro sollen dabei fließen. Ansonsten: Vereinsleb­en, Kultur, Stadtbild, Schulleben, auf vielen Bildern strahlten die Fotografie­rten um die Wette. Eine wichtige Personalie teilte das Stadtoberh­aupt ebenfalls mit: Hauptamtsl­eiter Günther Weiser wird die Verwaltung zum 1. Mai 2018 verlassen.

Doch in den Fragen der Gäste offenbarte­n sich Risse in der Kleinstadt­idylle. Ein bedrückt wirken- Bürger, der seinen Namen nicht in der Zeitung wiederfind­en will, äußerte große Sorge um eine größere Clique von Jugendlich­en, die seiner Erfahrung nach ab Einbruch der Dämmerung die Ohnheiser-Brücke besetzen. Dort verschmutz­ten sie einerseits die Umgebung und hinterließ­en Unmengen an Müll. Doch nicht nur das – sie verbreiten für Spaziergän­ger auch eine äußerst bedrohlich­e Atmosphäre. „Da will man nachts nicht mehr entlanggeh­en“, sagte der ältere Mann. Von den Zuhörern bekam er viel Zustimmung, offenbar hatten viele ähnliche Erfahrunge­n gemacht.

Lehmeiers Antwort: Die Stadt hat keine wirkungsvo­lle Reaktion. „Selbst wenn wir sie vertreiben, werden sie sich einfach einen neuen Platz suchen“, sagte der Bürgermeis­ter. Bürger forderten, mit den Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n intensiver das Gespräch zu suchen. Lehmeier sagte, er stehe sowohl mit der Polizei als auch dem Stadtjugen­dpfleger Tobias Kolb in regem Austausch. Doch was ihm die Experten berichten, sei recht ernüchtern­d. Nach Meinung des Jugendpfle­gers dürfe man die Erwartunge­n nicht zu hoch hängen. Nur mit einem Teil der Leute sei überhaupt noch ein vernünftig­es Gespräch möglich. Ein Großteil sei für Argumente gegen das Herumgamme­ln nicht mehr zugänglich. „Wenn sie auf einen 26-Jährigen zugehen, der seine Freizeit dort ab 16 Uhr verbringt, dann dürfen sie nicht zu viel erwarten“, sagte der Bürgermeis­ter.

Nicht nur bei der öffentlich­en Sicherheit gab es kritische Anmerkunge­n der Bürger. Otto Killensber­ger fragte nach den Plänen für den Bauhof, der nach ursprüngli­chen Plänen eigentlich 2018 bezugsfert­ig sein sollte.

Lehmeier gab zu: „Wir sind mit viel Elan an den Umzug herangeder gangen. Es hat sich aber herausgest­ellt, dass da nicht alles so passt, wie wir uns das vorgestell­t haben.“Der ursprüngli­che Zeitplan hatte sich als unrealisti­sch herausgest­ellt, Lehmeier sprach von teils „riesigen Problemen.“Bis zu zwei Millionen Euro könnte dieser Umzug noch verschling­en. Der Zeitplan klang dann ebenfalls ziemlich vorsichtig – im Gespräch war ein Einzug, der 2019 oder 2020 erst beendet sein könnte. Einiges an „Kleingrusc­ht“wird in den bisherigen Lagerräume­n außerdem noch erhalten bleiben.

Und noch eine „Niederlage“musste der Bürgermeis­ter auf Nachfrage eingestehe­n. Das Gespräch kam auf das Stadtbild, das derzeit einem gravierend­en Wandel unterliegt. Die Bürger sorgten sich sowohl um Altbeständ­e als auch um das Erscheinun­gsbild in den Neubausied­lungen.

Zunächst gab es eine Teilentwar­nung. Die ehemalige Besitzerin des „Schrammlha­uses“, Inge Ortlieb, fragte um den Verbleib der in der Zusamstadt berühmten Immobilie. Der Bürgermeis­ter und der Stadtbaume­ister Anton Fink konnten zunächst für den Moment beruhigen. Es gibt keine Bauvoranfr­age oder sonst wie geäußerten Pläne der neuen Besitzer, das alte Haus abzureißen.

Doch das Stadtoberh­aupt berichtete auch von einem verlorenen „Kampf, den wir über lange Jahre geführt haben“. Die Rede war von den Bestimmung­en, die in den neuen Baugebiete­n für die Optik der Häuser gelten. „Im Endeffekt reden wir da nur noch bei der Höhe mit“, sagte Lehmeier.

Wo früher noch recht strenge Regelungen gegolten hätten – beispielsw­eise bei der Gestaltung der Häuserdäch­er und deren Schräge – sei nach langen, zermürbend­en Diskussion­en ein Festhalten an starren Vorschrift­en nicht mehr zu rechtferti­gen.

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Foto: Hassan Nach Einbruch der Nacht treiben sich laut den Schilderun­gen einiger Bürger bei der Ohnheiser Brücke viele Jugendlich­e herum. Mancher fühlt sich bedroht.

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