Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Wertinger Kleinstadtidylle zeigt Risse
Bürgerversammlung Die Einwohner der Zusamstadt hörten einen Bürgermeister, der das Bild einer durchweg funktionierenden Stadtgemeinschaft zeichnet. Bei Nachfragen wackelt dieses Bild dennoch an einigen Stellen
Wertingen Viele angenehme Fakten und kommende Projekte teilte Bürgermeister Willy Lehmeier den Wertingern mit. Doch völlig zufrieden war er mit seinem Vortrag am Ende dennoch nicht. „Ich habe ja noch sieben vor mir“, sagte Lehmeier in Anspielung auf den Bürgerversammlungsmarathon, der ab dem 6. November erst richtig beginnt. Im Verlauf der nächsten Vorträge erwartet Lehmeier noch eine Steigerung in seiner ohnehin schon flüssigen Präsentation.
Doch abseits der Vortragsweise präsentierte Lehmeier den Gästen eine Kleinstadt fast ohne Makel. Er führte durch die Projekte, die in den kommenden Jahren anstehen. Neuigkeitswert hatte dabei vor allem der Ausbau der Staatsstraße 2027, die vor allen Dingen begradigt werden soll. Zwei Millionen Euro sollen dabei fließen. Ansonsten: Vereinsleben, Kultur, Stadtbild, Schulleben, auf vielen Bildern strahlten die Fotografierten um die Wette. Eine wichtige Personalie teilte das Stadtoberhaupt ebenfalls mit: Hauptamtsleiter Günther Weiser wird die Verwaltung zum 1. Mai 2018 verlassen.
Doch in den Fragen der Gäste offenbarten sich Risse in der Kleinstadtidylle. Ein bedrückt wirken- Bürger, der seinen Namen nicht in der Zeitung wiederfinden will, äußerte große Sorge um eine größere Clique von Jugendlichen, die seiner Erfahrung nach ab Einbruch der Dämmerung die Ohnheiser-Brücke besetzen. Dort verschmutzten sie einerseits die Umgebung und hinterließen Unmengen an Müll. Doch nicht nur das – sie verbreiten für Spaziergänger auch eine äußerst bedrohliche Atmosphäre. „Da will man nachts nicht mehr entlanggehen“, sagte der ältere Mann. Von den Zuhörern bekam er viel Zustimmung, offenbar hatten viele ähnliche Erfahrungen gemacht.
Lehmeiers Antwort: Die Stadt hat keine wirkungsvolle Reaktion. „Selbst wenn wir sie vertreiben, werden sie sich einfach einen neuen Platz suchen“, sagte der Bürgermeister. Bürger forderten, mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen intensiver das Gespräch zu suchen. Lehmeier sagte, er stehe sowohl mit der Polizei als auch dem Stadtjugendpfleger Tobias Kolb in regem Austausch. Doch was ihm die Experten berichten, sei recht ernüchternd. Nach Meinung des Jugendpflegers dürfe man die Erwartungen nicht zu hoch hängen. Nur mit einem Teil der Leute sei überhaupt noch ein vernünftiges Gespräch möglich. Ein Großteil sei für Argumente gegen das Herumgammeln nicht mehr zugänglich. „Wenn sie auf einen 26-Jährigen zugehen, der seine Freizeit dort ab 16 Uhr verbringt, dann dürfen sie nicht zu viel erwarten“, sagte der Bürgermeister.
Nicht nur bei der öffentlichen Sicherheit gab es kritische Anmerkungen der Bürger. Otto Killensberger fragte nach den Plänen für den Bauhof, der nach ursprünglichen Plänen eigentlich 2018 bezugsfertig sein sollte.
Lehmeier gab zu: „Wir sind mit viel Elan an den Umzug herangeder gangen. Es hat sich aber herausgestellt, dass da nicht alles so passt, wie wir uns das vorgestellt haben.“Der ursprüngliche Zeitplan hatte sich als unrealistisch herausgestellt, Lehmeier sprach von teils „riesigen Problemen.“Bis zu zwei Millionen Euro könnte dieser Umzug noch verschlingen. Der Zeitplan klang dann ebenfalls ziemlich vorsichtig – im Gespräch war ein Einzug, der 2019 oder 2020 erst beendet sein könnte. Einiges an „Kleingruscht“wird in den bisherigen Lagerräumen außerdem noch erhalten bleiben.
Und noch eine „Niederlage“musste der Bürgermeister auf Nachfrage eingestehen. Das Gespräch kam auf das Stadtbild, das derzeit einem gravierenden Wandel unterliegt. Die Bürger sorgten sich sowohl um Altbestände als auch um das Erscheinungsbild in den Neubausiedlungen.
Zunächst gab es eine Teilentwarnung. Die ehemalige Besitzerin des „Schrammlhauses“, Inge Ortlieb, fragte um den Verbleib der in der Zusamstadt berühmten Immobilie. Der Bürgermeister und der Stadtbaumeister Anton Fink konnten zunächst für den Moment beruhigen. Es gibt keine Bauvoranfrage oder sonst wie geäußerten Pläne der neuen Besitzer, das alte Haus abzureißen.
Doch das Stadtoberhaupt berichtete auch von einem verlorenen „Kampf, den wir über lange Jahre geführt haben“. Die Rede war von den Bestimmungen, die in den neuen Baugebieten für die Optik der Häuser gelten. „Im Endeffekt reden wir da nur noch bei der Höhe mit“, sagte Lehmeier.
Wo früher noch recht strenge Regelungen gegolten hätten – beispielsweise bei der Gestaltung der Häuserdächer und deren Schräge – sei nach langen, zermürbenden Diskussionen ein Festhalten an starren Vorschriften nicht mehr zu rechtfertigen.