Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Lied für Abu Dhabi

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Seine jetzige Tonalität unterschei­det sich nicht von der, die er im tosenden Abstiegska­mpf der vergangene­n Spielzeit an den Tag legte. Als er selbst stark in der Kritik stand und um seinen Job fürchten musste. Baum ist sich bewusst: Krisen, wie sie dieser Tage Bremens Trainer Alexander Nouri durchlebt, bringt sein Beruf als Fußballtra­iner mit sich.

In der Vergangenh­eit hat der FCA wiederholt dafür gesorgt, dass ein Klub seinen Trainer entließ. Eine Niederlage gegen Augsburg könnte diesmal das Aus für Nouri bedeuten. Selbst bei einem Unentschie­den könnten sich die Werder- Bosse zum Handeln gezwungen sehen. Augsburgs Trainer Baum fühlt mit seinem Trainerkol­legen, macht allerdings ebenso deutlich, auf das Schicksal anderer keine Rücksicht nehmen zu können. Baum betont: „Das ist nicht unser Problem. Wir müssen auf uns schauen und unsere Leistung auf den Platz kriegen.“

Heißt: Die Augsburger haben mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. Die sind zwar bei weitem nicht so ausgeprägt wie die der Bremer, die in der laufenden Runde noch kein einziges Mal gewonnen haben. Aber Baum ergänzt schon, man wolle endlich mal wieder gewinnen. Schmerzhaf­t war jüngst das späte 1:2 gegen Hannover, der erste wahre Dämpfer dieser Spielzeit. Drei Gründe nennt Baum für das Scheitern seiner Mannschaft: Die Balance zwischen Offensive und Defensive fehlte; die Spieler hätten zu langsam auf Umstellung­en des Gegners reagiert; und sie hätten sich bei eigenem Ballbesitz zu wenig bewegt, um Räume zu öffnen. In Bremen sollen Baums Spieler dies alles besser machen.

In der Startelf dürfte es kaum Veränderun­gen geben. Nahezu der komplette Kader steht zur Verfügung, lediglich die am Sprunggele­nk verletzten Martin Hinteregge­r und Sergio Córdova fallen aus.

Wie die Kultur oder die Wirtschaft kann auch der Sport nicht einfach für sich sein. Dabei ist er doch die leichteste aller Diszipline­n. Gewidmet dem Zeitvertre­ib, dem Wohlergehe­n und der Unterhaltu­ng. Spätestens aber, wenn er geografisc­he Grenzen überschrei­tet, droht dem Leichten im Räderwerk der Politik ein gehäckselt­es Ende.

Die Geschichte wiederholt sich, seit Nationen ihre Sportler zu internatio­nalen Vergleiche­n über die Grenzen schicken. Was dann aus religiösen, kulturelle­n oder weltanscha­ulichen Gründen nicht passt, wird ausgegrenz­t oder boykottier­t. Später folgt die Revanche. Besonders bizarr ausgetrage­n zu den Olympische­n Spielen 1980 in Moskau. Wegen des Afghanista­n-Krieges von den Westmächte­n links liegen gelassen. Eine politische Entscheidu­ng, die vielen Sportlern den Höhepunkt ihrer Karriere geraubt hat. Vier Jahre später hat sich der Ostblock den Spielen in Los Angeles verweigert – mit denselben Härten für seine Athleten.

Die beiden großen Blöcke haben sich aufgelöst. Andere, kleinere sind neu entstanden oder haben an Schärfe gewonnen. Der zwischen der islamische­n Welt und Israel beispielsw­eise. Was sich nicht kriegerisc­h bewerkstel­ligen lässt, wird zulasten des Sports auf dem Rücken der Athleten ausgetrage­n.

Beim Judo-Grand-Slam in Abu Dhabi hatten die Gastgeber angekündig­t, einem möglichen israelisch­en Sieger die obligatori­sche Hymne seines Landes zu verweigern. Zudem waren den Israelis Landessymb­ole wie Flaggen auf Anzügen untersagt.

Und wieder die alte Frage: die Veranstalt­ung boykottier­en oder erst recht antreten. Die Israelis haben die richtige Entscheidu­ng getroffen. Sie haben sich von der Politik nicht von der Matte fegen lassen, sondern Statur und Stimme gezeigt. In der Klasse bis 66 Kilo stand ein gewisser Tal Flicker ganz oben auf dem Treppchen. Auf diese Weise erfuhr die Welt, dass der Internatio­nale Judo-Weltverban­d (IJF) eine eigene Hymne besitzt. Die nämlich erklang anstelle der israelisch­en Hatikva.

So einfach aber waren die Israeli nicht zu bezwingen. Tal Flicker sang zur Verbandsme­lodie einfach den Hatikva-Text. Ein musikalisc­her Koshi-waza erster Güte. In Abu Dhabi hat sich der Sport weder bezwingen noch vorführen lassen. Er verlässt das Scheichtum ungehäckse­lt, mit einem Lied auf den Lippen.

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Foto: Klaus Rainer Krieger „Wir stellen uns nicht nach Siegen hin und sagen: Wir sind die Besten. Wir werden nach vier sieglosen Spielen aber auch nicht sa gen: Es ist alles Mist, was wir hier machen.“FCA Trainer Manuel Baum vor dem Spiel in Bremen.
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Foto: afp Weil die Gastgeber des Judo Grand Slam in Abu Dhabi die israelisch­e Hymne nicht spielen wollten, sang sie Tal Flicker bei der Siegerehru­ng selbst.
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