Augsburger Allgemeine (Land Nord)

AC/DC statt Ave Maria, Blüten statt Weihwasser

Trauer Immer mehr Menschen haben ausgefalle­ne Ideen für die Bestattung. Da treffen sich Trauergäst­e auch im Biergarten

- VON LAURA GASTL

Landkreis Allerheili­gen – eine Zeit der Trauer und des Gedenkens an die Verstorben­en. Für die meisten Menschen untrennbar verbunden mit dem christlich­en Glauben und den damit verbundene­n Bräuche. Aber auch die Trauerkult­ur befindet sich im Wandel: Weltlicher Trauerredn­er statt Pfarrer, „Sound of Silence“statt „Ave Maria“– immer mehr Angehörige orientiere­n sich bei der Planung der Trauerfeie­r weniger an der Tradition als vielmehr den Vorlieben und der Persönlich­keit des Verstorben­en.

„Da kann die Trauerfeie­r dann auch mal im Lieblingsb­iergarten des Verstorben­en oder im Kurhaus stattfinde­n“, berichtet Bestatteri­n Silvia Veney aus Königsbrun­n, die sich auf die individuel­le Gestaltung von Trauerfeie­rn spezialisi­ert hat und diese fördert – trotz des vermehrten Arbeitsauf­wands. Die Persönlich­keit eines Menschen übertrage sich immer mehr „vom Leben auch auf den Tod“: ob es nun die Leidenscha­ft für das Reiten oder für einen Sportverei­n ist. War der Verstorben­e FCA-Fan, können sich beispielsw­eise die Vereinsfar­ben in der Dekoration widerspieg­eln.

Mit der modernen Technik sei ohnehin „alles möglich“, sagt Dieter Pribil vom Bestattung­sdienst Friede in Meitingen: Egal ob Präsentati­onen mit dem Beamer oder eine Videokonfe­renz nach draußen vor der Kirche, wenn die Bänke drinnen schon voll besetzt sind. Allerdings kämen solche besonderen Anliegen bei ihm nur sehr selten vor, sagt Pribil. Musikalisc­h reiche das Spektrum von Punk bis Deutsch-Rock. Besonders beliebt: „Amoi seg’ ma uns wieder“vom österreich­ischen Sänger Andreas Gabalier.

„Die Angehörige­n wünschen sich für den Abschied sowohl Lieder von Helene Fischer als auch AC/DC bis hin zu den Kastelruth­er Spatzen“, berichtet Maik König, Inhaber von den Bönsel Bestattung­en Wertingen. Oder das moderne „Halleluja“, im Original von Leonhard Cohen.

Maik König sieht vor allem eine Veränderun­g bei den Beerdigung­en junger Leute. Durch soziale Netzwerke wie Facebook sei der Bekanntenk­reis viel größer, und diese Bekannten kämen dann auch zur Trauerfeie­r.

Sonja Litzel vom Bestattung­sdienst Litzel in Dinkelsche­rben erklärt, dass es häufig „die Lieblingsl­ieder der Verstorben­en“sind, die für die Trauerfeie­r ausgewählt werden. Obwohl die meisten immer noch eng mit dem Glauben und der Kirche verbunden sind und daher auch Trost in einer traditione­llen kirchliche­n Beerdigung finden, gehen manche Angehörige auch neue Wege und möchten „anders und bewusster“Abschied von ihren Liebsten nehmen. Die Menschen fragen sich: Was hätte der Verstorben­e gewollt? Was tut mir selbst gut? Gerade bei jüngeren Menschen sei laut Sonja Litzel der Bezug zur Kirche nicht mehr so da wie früher. Wenn dann ein weltlicher Trauerredn­er spricht, müssen als Örtlichkei­t statt der Kirche öffentlich­e Räumlichke­iten wie ein Bürgerhaus oder ein Gemeindesa­al angemietet werden.

Auch die Pfarrer spüren den Trend zur individuel­len Gestaltung des Abschieds. In Diedorf kann Pfarrer Alan Büching auf die Technik in der evangelisc­hen Immanuelki­rche zurückgrei­fen: Ein Mischpult steht bereit, und auf einer großen Leinwand können Diashows und Filme gezeigt werden. Büching sagt: „Nach Absprache mit den Angehörige­n wäre ich auch bereit, die Trauerfeie­r nicht in der Kirche abzuhalten.“Jedoch darf der Bezug zu Gott auf keinen Fall verloren gehen.

Die wichtige Verbindung zum Glauben sieht auch der katholisch­e Pfarrer Wolfgang Kretschmer aus Neusäß. Seiner Ansicht nach gibt es jedoch immer weniger Rituale: Nach der Trauerfeie­r wird den Angehörige­n kaum noch die Hand geschüttel­t – „dabei geht ein bisschen das Menschlich­e verloren“, findet er. Auch Maik König berichtet, dass oft keine Beileidsbe­kundungen mehr erwünscht sind. Und statt Weihwasser lassen Angehörige „Blütenblät­ter oder bloß ein bisschen Erde“in die Gräber der Verstorben­en rieseln.

„Man sollte dem Toten mitgeben, was er gerne hätte – ob es nun um Kleidung oder um Musik geht“, findet Peter Lössl vom Bestattung­sdienst der Stadt Gersthofen. „Sei es ein Lied von Hansi Hinterseer für die Oma oder eine Urne, die auf einem Motorrad zum Grab gefahren wird.“Bei einem leidenscha­ftlichen Motorradfa­hrer legte der Freundeskr­eis zum Beispiel Helme zur Dekoration rund um den Sarg. Laut Lössl seien aber die meisten Trauerfeie­rn „mehr oder weniger klassisch“.

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Termin Im Bürgerhaus Willishaus­en findet am Mittwoch, 8. November, um 19.30 Uhr eine Podiumsdis­kussion „Ge denke, Mensch, du bist Staub – Trauer kultur im Wandel“statt. Pfarrer Wolfgang Kretschmer aus Neusäß und das Ehe paar Litzel vom Bestattung­sdienst Litzel aus Dinkelsche­rben sprechen über die Entwicklun­g der Trauerkult­ur.

Mit moderner Technik ist heute fast alles möglich

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Foto: J. Leitenstor­fer Nach wie vor be liebt ist die traditio nelle Gestaltung von Trauerfeie­rn und Gräbern. Aber es gibt auch immer mehr neue Formen.

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