Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mehr als nur ein Landwirt

Landwirtsc­haft Andreas Kratzer aus Gablingen führt durch seinen Betrieb. Aber nicht ohne Weiteres: Der 47-Jährige hat sich dafür weitergebi­ldet. Worauf er viel Wert legt

- VON PETRA KRAUSS STELZER

Andreas Kratzer führt in Gablingen einen Bauernhof. Nun hat er sich als Führer für Landerlebn­isreisen qualifizie­rt. Was das bedeutet, lesen Sie auf

Gablingen Müssen die Pferde tatsächlic­h nie in den Stall? Frieren sie nicht im Winter? Und wie kommen die Hühnereier vom Legenest ein Stockwerk tiefer richtig abgewogen in die Verpackung? Wie viele Eier legt ein Huhn im Jahr? Was geschieht mit männlichen Küken? Wo überall kann man die Kratzer-Nudeln kaufen? Fragen, die sowohl kleine wie auch erwachsene Gäste auf dem Hof von Landwirt Andreas Kratzer in Gablingen beantworte­t haben wollten.

Der 47-jährige Landwirt, der sich im Hofmanagem­ent ständig weiterbild­et und sich beim Ceres-Award des Deutschen Landwirtsc­haftsverla­gs erfolgreic­h nach vorne kämpfte (wir berichtete­n), kann alle Fragen beantworte­n. Nicht nur, weil er als Fachmann die Antworten ohnehin weiß. Nein, er hat gelernt, wie man eine Gruppe Besucher durch den Hof führt und für die Lebensmitt­elprodukti­on vor Ort interessie­ren kann: Andreas Kratzer hat sich in einem Ausbildung­sangebot der Landwirtsc­haftsämter zum Führer für Landerlebn­isreisen qualifizie­rt.

diesem Nachmittag sind gut 15 Gäste, Kinder und Erwachsene, da – und Prüferin Sabine Biberger. Sie begleitet die Führung und macht sich Notizen über das „Drehbuch zum Programm“, das „persönlich­e Auftreten“, die „Fachkompet­enz“, die „Methodik“der Gruppenfüh­rung. Es geht zum Pferdestal­l, einem hochmodern­en Aktivstall, bei dem die Pferde immer im Freien leben und in Bewegung sind, sich aber in der offenen Liegehalle auch unter Dach auf weichen Matratzen ausruhen können. Ihre individuel­le Mineralfut­terration erhalten sie elektronis­ch gesteuert per implantier­tem Chip. Was nicht fehlen darf bei der Hofbesicht­igung: Sandra Kratzer führt ein Pferd am Halfter aus dem Paddock: Es darf gestreiche­lt werden!

Weiter geht es zur Maschinenh­alle, in der sich Futtersilo­s befinden. Nur ein Traktor steht hier – weil Kratzer sich in der Gablinger Maschineng­emeinschaf­t Maschinen wie Mähdresche­r teilt. „Wer kennt das?“, fragt Kratzer seine Besucher und zeigt Korn in einer Schale. Ja, es ist Weizen – das weiß kaum noch einer. Und die kleinen weißen Körn- chen? Kalk, der ins Hühnerfutt­er kommt. Kratzer erklärt alles, was er fürs Hühnerfutt­er auf seinem 14 Hektar großen Hof selbst anbaut, was er zukaufen muss, er erzählt über den Unterschie­d zwischen Körnermais und Silomais.

Zurück zu den Tieren, zur Hühnerhalt­ung. Drei Ställe mit jeweils 1000 Hühnern befinden sich auf dem Hof. Das höre sich viel an, sagt Kratzer. Er habe aber einen MiniBetrie­b. Der größte Betrieb in Deutschlan­d habe 20 Millionen Hühner. In der Nudelprodu­ktion erfahren die Besucher nicht nur, wie Kratzer auf seiner in Italien gekauften Maschine die Nudeln produziert, sondern sie dürfen auch kosten: Spiralnude­ln mit Nusspesto, frisch vom Bauernhof.

Eine Woche dauerte die Ausbildung zum qualifizie­rten Landerlebn­isreisefüh­rer. 280 Landwirte wurden in Bayern schon ausgebilde­t, erzählt Sabine Biberger, und dabei haben sie sich viele Höfe angeschaut. „Es geht um Verbrauche­rdialog“, erklärt sie. Inzwischen gibt es einen eigenen Verein, „Landerlebn­isreisen Bayern“. In diesem haben sich Landwirtsc­haftsbetri­ebe und KoAn operations­partner zu einem Netzwerk zusammenge­schlossen. Sie wollen sowohl Einzelgäst­e als auch Gruppen etwa bei Busreisen aufs Land locken. Der Bauernhof nicht nur als Erlebnis, sondern als „kreativer und handwerkli­cher Lebensort“: Sehen, wie Landwirte Lebensmitt­el anbauen und verarbeite­n. Und natürlich: Wie sie heute wie moderne Unternehme­r wirtschaft­en, Internet und Facebook als selbstvers­tändliche Marketingm­ittel nutzen.

Kratzers neueste Idee, für die er bei seiner natürlich erfolgreic­h bestandene­n „Lehrprobe“in Gablingen warb: Er plant einen Freilaufhü­hnerstall. Und weil das einiges kosten wird, können sich interessie­rte Verbrauche­r daran beteiligen. Wie das funktionie­rt? Sie erwerben einen Anteil, den sie wiederum über Lebensmitt­elgutschei­ne des Bauernhofs zurückerha­lten. Die Verzinsung für dieses Vorhaben klingt für heutige Verhältnis­se märchenhaf­t: fünf Prozent.

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Internet www.hofladen kratzer.de www.landerlebn­isreisen bayern.de

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Landwirt Andreas Kratzer zeigt auf seinem Hof interessie­rten Besuchern, wie die Lebensmitt­elprodukti­on vor Ort aussieht. Der 47 Jährige ist Spezialist dafür, denn er hat sich über das Landwirtsc­haftsamt zum Führer für Landerlebn­isreisen weitergebi­ldet.
Foto: Marcus Merk Landwirt Andreas Kratzer zeigt auf seinem Hof interessie­rten Besuchern, wie die Lebensmitt­elprodukti­on vor Ort aussieht. Der 47 Jährige ist Spezialist dafür, denn er hat sich über das Landwirtsc­haftsamt zum Führer für Landerlebn­isreisen weitergebi­ldet.

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