Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Menschen-Kino im Kino-Foyer

- VON WOLFGANG SCHÜTZ kino@augsburger allgemeine.de

Es gibt da vom deutschen Barden der Alltagswei­sheit ein Lied, das den ganzen menschlich­en Gefühlskos­mos in nur wenigen Zeilen durchschre­itet. Es ist von Funny van Dannen, findet sich auf dem Hit-Album „Herzscheiß­e“und geht dann zum Beispiel so: „Während du lachst, sind viele andere traurig. / Und wenn du stirbst, werden viele einen Orgasmus haben.“Oder: „Während du schläfst, haben andere Hunger. / Und während du frühstücks­t, bringen andere sich um.“Oder: „Während du verliebt bist, sind andere völlig verzweifel­t. / Und während du verwöhnt wirst, werden andere von Bomben zerfetzt.“Aber dann folgt immer: „Das hört sich schlimm an – ist es aber nicht ganz, / denn zum Glück gibt es die räumliche Distanz!“Die rettenden letzten drei Worte sind dann auch der Titel dieses großen Beitrags im Great German Songbook.

Was aber, wenn diese Trennung dann aufgehoben wird? Das ist nirgends so eindrucksv­oll zu beobachten wie im Kinofoyer. Da kann aktuell etwa das alberne Volk aus dem finalen „Fack ju Göhte 3“strömen, gekreuzt von Aufgewühlt­en und Verstörten, die sich aus dem preisgekrö­nten Drama „Körper und Seele“tasten. Und von links: Ist das nun eine schwitzige Blässe, die zum blutigen Thriller „Schneemann“passt oder zum Horror von „Es“? Und von rechts: Ist das kultiviert­es Debattiere­n darüber, ob die künstleris­che Gesellscha­ftssatire „The Square“gelungen ist, oder Freak-Talk über die ästhetisch­en Anleihen von „Blade Runner 2049“oder ein Ideologie-Streit, wie realistisc­h das Weltunterg­angsszenar­io in „Geostorm“nun war?

Menschen-Kino im Kino-Foyer, der Echokammer der Menschheit­sdramen. Falls es denn herrschen darf. Und nicht Blockbuste­roder Arthaus-Monokultur herrscht. Das wäre dann die traurigste Form der räumlichen Distanz, das Gegenteil des wahren Lebens nämlich.

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