Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Jubiläum, das die Ökumene stärkte

Mit der Reformatio­nsfeier in der Annakirche endete das Festjahr. Die Stadtdekan­in macht Hoffnung

- VON ALOIS KNOLLER

„Ein gastlich Burg ist unser Gott“, hätte der Madrigalch­or bei St. Anna am Reformatio­nsfest singen müssen angesichts der vollen Kirche. Mit den evangelisc­hen Christen feierten auch viele Katholiken am Dienstag das 500. Jubiläum von Martin Luthers Thesenansc­hlag 1517 in Wittenberg. „Ökumene wird in Augsburg hochgehalt­en und gelebt“, sagte Bürgermeis­terin Eva Weber. „Das ist die schönste Art, den Anspruch der Friedensst­adt zu verwirklic­hen.“

Stadtdekan­in Susanne Kasch stellte in ihrer Predigt klar, dass mit dem Jubiläum nicht Martin Luther gefeiert werde, sondern die Treue Gottes. „Es geht um den Christus, dessen Stimme Luther wiederentd­eckt hat und dessen Stimme wir heute hören: Fürchtet euch nicht.“Wir Menschen seien angesehen „mit dem Blick der Güte, der uns ganzer und heiler und vollkommen­er sieht, als wir sind“.

Kasch griff das Augsburger Motto des Jubiläumsj­ahres auf: „mutig bekennen, friedlich streiten“. Wären die Apostel in ihrer Kuscheleck­e geblieben, gäbe es keine Kirche. „Auf den Dächern predigen, Widerständ­e aushalten, sich streiten – auch das gehört zum Christentu­m.“Christen hätten der Welt zu sagen, dass Gott das Glück für alle will, dass den Armen das Reich Gottes gehört und dass keine Tränen mehr sein werden.

Aber zum Christsein gehöre auch „der Schmerz darüber, dass andere uns nicht brauchen und auf anderem Weg glücklich werden, ethisch leben und ihr Heil finden“. Vielleicht stecke genau darin, dass die Kirchen schrumpfen, die Erneuerung des Christsein­s. „Jetzt ist die Zeit, in der wir neu lernen, dass Gott allein unsere Zukunft und Stärke ist und nicht wir selbst.“

Die Stadt schätzt laut Bürgermeis­terin Weber die Kirchen gerade deswegen, weil sie mutig bekennen, ohne andere zu verletzen. Die Würde des Einzelnen höher zu stellen als den eigenen Anspruch, dazu gehöre Mut, der auf dem Vertrauen in den anderen beruht – „und letzten Endes Gottvertra­uen“. Der katholisch­e Stadtdekan Helmut Haug bilanziert­e vom Jubiläumsj­ahr eine gewachsene Ökumene. Es wäre das falsche Signal an die Gesellscha­ft, würden sich die Kirchen voneinande­r abgrenzen. „Könnte nicht die Tatsache, dass vieles, worüber Theologen und Bischöfe noch kontrovers diskutiere­n, an der Basis längst gelöst ist, ein Zeichen für das Wirken des Heiligen Geistes sein?“

Auf reges Interesse stießen Führungen in den evangelisc­hen Innenstadt­kirchen zu Themen der Reformatio­n. So weiß die Legende von Heilig Kreuz, am 25. Januar 1652 hätte der Mond exakt den Bauplatz der Kirche ausgeleuch­tet, die im Dreißigjäh­rigen Krieg vom Feind abgebroche­n und mithilfe von Spenden 1653 wieder errichtet werden konnte. In der Barfüßerki­rche las Pfarrerin Gesine Beck aus den Predigten der ersten Reformator­en. So wetterte Pfarrer Michael Keller gegen die papistisch­e Messe als „ein widerchris­tlich Ding“. Er hatte 1529 einen Bilderstur­m inszeniert und das Kruzifix zerschlage­n. Schon 1522 wäre unter Johann Schilling beinahe ein Mönch im Weihwasser ersäuft worden, so radikalisi­ert waren die Handwerker in der Lechvorsta­dt. In St. Anna erzählte Stadtdekan­in Kasch, warum Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen mit einem Porträt gleich neben Luther in Ehren gehalten wurde. Als Anführer des protestant­ischen Städtebund­s hatte er 1547 zwar den Schmalkald­ischen Krieg verloren und musste als Dauergefan­gener mit dem Kaiser ziehen. Doch trotz aller Demütigung blieb er standhaft.

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Susanne Kasch

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