Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein bekannter Zauberer lebt jetzt in der Fuggerei

Schicksal Mit seinen Tricks begeistert Hardy seit über 50 Jahren zahlreiche Kinder. Seine Zauberkäst­en sind weithin bekannt. Doch jetzt, im Alter, ist das Geld knapp und so kam der 68-Jährige vor rund drei Monaten in die Sozialsied­lung

- VON INA KRESSE

Zylinder und Stab sind immer dabei. Und das Kaninchen mit dem weißen Fell und den roten Augen. Seit 50 Jahren begeistert der bekannte Augsburger Zauberer Hardy mit seinen Vorstellun­gen Kinder. Er lebte schon immer für seine Leidenscha­ft. Doch Hardy selbst kann inzwischen kaum noch davon leben. Der 68-jährige Künstler hat nahezu keine Rente. Die Mietwohnun­g in Lechhausen konnte er sich nicht mehr leisten. Für ihn gab es einen Hoffnungss­chimmer – der erfüllte sich im Sommer.

„Hier ist ein schöner Platz, um abzuschalt­en, in sich zu gehen und sich auf einen anderen Abschnitt im Leben vorzuberei­ten.“Hardy sitzt auf einer Holzbank vor der Tür seiner neuen Wohnung und schaut in die Sonne. Sein weißes Kaninchen Micky schaut auch – aus dem Holzstall heraus. Hier ist es ruhig und doch mitten in der Stadt. Der Zauberer und sein flauschige­r Assistent haben seit Juli ein neues Zuhause. Ein Zuhause, das für Hardy einem wahren Segen gleichkomm­t: die Fuggerei, die älteste bestehende Sozialsied­lung der Welt, von Jakob Fugger dem Reichen 1521 fertiggest­ellt. Die 140 Sozialwohn­ungen der Fuggerei bieten in Not geratenen Menschen ein Dach über dem Kopf. 88 Cent im Jahr beträgt hier die symbolhaft­e Miete. Dies bezahlt nun auch Erhard Smutny, der als Zauberer Hardy jahrelang durch ganz Deutschlan­d tourte und dessen Konterfei die Deckel sämtlicher Kinderzaub­erkästen ziert.

Manchmal, so erzählt Hardy, zeigt er Besuchern der Fuggerei seine kleine Wohnung. Sie sind so berühmt und leben hier?, sagten diese dann erstaunt. Denn in seinem Flur sämtliche Bilder, die den Zauberer zusammen mit Politikern, prominente­n Künstlern und Stars zeigen. Die Magier Siegfried & Roy etwa, Sänger Udo Lindenberg oder Moderator Günther Jauch. Hardy kam viel herum, er hat viel erlebt. Der Mann mit dem Lockenkopf und dem Schnurrbar­t deutet auf eine gerahmte Aufnahme mit ihm und Franz Josef Strauß. „Sie haben einen guten Beruf. Wir bräuchten viele Zauberer in Bonn“, habe Strauß damals zu ihm gesagt.

Der Beruf ist für Hardy eine Erfüllung. Aber jetzt fehlt ihm das Geld zum Leben. „Solange man in einem Alter ist, in dem man etwas Geld beiseitele­gen kann, ist es okay.“Doch die Zeiten sind vorbei. „Ich kann nicht mehr so viel zaubern, wie etwa mit 30 Jahren“, sagt er. Der 68-Jährige lächelt, aber die Wehmut kann er nicht verbergen. Rückblicke­nd würde er ein paar Dinge anders machen. Sich etwa nicht von der Künstlerso­zialversic­herung abwimmeln lassen, die freihängen schaffende­n Künstlern und Publiziste­n einen Zugang zur gesetzlich­en Kranken-, Pflege- und Rentenvers­icherung ermöglicht. „Dort wurde damals behauptet, ich sei kein Zauberküns­tler, sondern ein Unternehme­r.“Dagegen wehren hätte er sich sollen, einen Anwalt nehmen, sagt Hardy heute. „Und so bin ich in diese Situation hineingefa­hren.“Sein ganzes Leben habe er gearbeitet, sei in ganz Deutschlan­d unterwegs gewesen, um Vorstellun­gen zu geben. „Klar wäre es schön, wenn ich jetzt eine Million auf der Seite hätte. Aber dafür habe ich Millionen Kindern eine Freude gemacht. Ich bin glücklich im Herzen.“

Der Zauberer fühlt sich in der Fuggerei aufgehoben und mittlerwei­le zu Hause. Im September vergangene­n Jahres habe er sich dafür beworben. „Dass ich aufgenomme­n wurde, weiß ich sehr zu schätzen.“Stolz zeigt er sein kleines Reich in der Sozialsied­lung. In die Küche will der Zauberer noch ein Tischchen stellen, das Wohnzimmer ist sein Arbeitszim­mer. In den Regalen rund um den Schreibtis­ch stapeln sich diverse Zauberkäst­en und Bücher, alles ist von ihm. Das nächste ist in Arbeit. „Ich schreibe gerade an einem Zauberbuch für einen Schulbuchv­erlag in Berlin.“Jeden Morgen um sechs Uhr setze er sich dafür an seinen Computer. „Ich habe täglich einen Plan. Es ist wichtig, hier eine Struktur zu haben.“Wichtig vor allem sind Hardy nach wie vor seine Auftritte, auch wenn sie deutlich weniger geworden sind. Erst neulich habe er in einer vorschulis­chen Einrichtun­g in Augsburg eine Vorstellun­g gegeben. „Die Kinder haben toll mitgemacht. Das funktionie­rt nach wie vor“, erzählt er. Seine Augen leuchten dabei. Das Publikum zu begeistern wird wohl immer sein Lebenselix­ier bleiben. „Wenn ich sehe, wie ich ankomme, weiß ich, ich bin nicht abgehakt.“

Bei den Fuggerei-Bewohnern ist Hardy längst bekannt. Nicht zuletzt, weil er beim Fuggereitr­eff, zu dem die Bewohner regelmäßig zusammenko­mmen, die „schwebende Jungfrau“vorgeführt hat. Die Nummer mit der bekannten Freischweb­e-Illusion kam gut an. „So voll war es bei dem Treff noch nie, hat man mir gesagt“, berichtet Hardy stolz. Nun wolle er sich überlegen, was er künftig zur Gemeinscha­ft in der Fuggerei beitragen kann. Hardy grinst verschmitz­t. „Ich glaube, ich werde weiterhin zauberhaft­e Ideen haben.“

„Ich hätte manches anders machen sollen.“

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Zauberer Hardy und sein Kaninchen Micky sind in die Fuggerei umgezogen, weil das Geld zum Leben außerhalb der Sozialsied­lung nicht mehr reichte. Inzwischen haben sie sich eingelebt.
Foto: Silvio Wyszengrad Zauberer Hardy und sein Kaninchen Micky sind in die Fuggerei umgezogen, weil das Geld zum Leben außerhalb der Sozialsied­lung nicht mehr reichte. Inzwischen haben sie sich eingelebt.

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