Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Wunderwerk im geleerten Museum
Rundgang Die Ausstellungsräume sind zurzeit ausgeräumt. Bei einer Spezialführung lernen die Teilnehmer das Schwäbische Volkskundemuseum aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen
Oberschönenfeld Die Sonne wirft durch die Fenster Strahlenbündel auf den Dachboden des Schwäbischen Volkskundemuseums, taucht das dunkle Holzgebälk in leichtes Licht. Beim Betrachten des mächtigen Dachwerks mit seinen Hoch-, Längs- und Querbalken bleibt bei den Teilnehmern der Spezialführung das Staunen nicht aus. „Ein Wunderwerk“, stellt Führerin Gertrud Roth-Bojadzhiev beeindruckt fest.
In der Tat: Das Dachwerk ist ein historisches Zeugnis der Zimmermannskunst, ein mächtiges Refugium aus Holz. Die miteinander sorgfältig verkeilten Stütz- und Lastbalken und die Holznägel für die Sicherung der Zapfenverbindungen machen dieses Handwerk so erlebbar. Alles sei hier von Hand erstellt worden, ergänzt Roth-Bojadzhiev. „Die Balken von Hand gehauen, gesägt und aufgebaut.“Ganz nebenbei seien so an den Seitenteilen beeindruckende Holzornamente entstanden. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man Zimmermannszeichen, aber auch Abbundzeichen zum sicheren Zuordnen und Zusammensetzen der einzelnen Bauteile. Die Führerin macht weiter auf die Fenster aufmerksam. Mit ihren leichten Bögen seien sie ein Erbe des Barocks. „Die Öffnungen laufen konisch zu“, informiert sie. Damit streue sich das einfallende Licht besser.
Aufgrund der Erneuerung der Dauerausstellungen sind die Ausstellungsräume im ehemaligen Ochsenund Rossstall des Klosters komplett ausgeräumt. Nur so präsentiert sich das Gebälk jetzt in seiner ganzen Größe und Bedeutung. „Künftig soll dort dem früheren Klosterleben und der Mediatechnik mehr Raum gegeben werden“, erklärt Roth-Bojadzhiev. Letzteres, um jüngere Menschen verstärkt ans Museum heranzuführen.
Bei einem Rundgang über das Klostergelände erfahren die Teilneh- mer darüber hinaus Spannendes über die wechselvolle Nutzungsgeschichte der barocken Wirtschaftsgebäude. Dabei taucht die Historikerin und Ethnologin Gertrud Roth-Bojadzhiev tief in die Vergangenheit ein. „Um 1211 besiedeln fromme Frauen den heutigen Ort, um ein religiöses und zugleich autarkes Leben zu führen“, erzählt sie. „Spätestens 1248 werden sie in den Zisterzienserorden aufgenommen.“Trotz der Abgeschiedenheit des Klosters seien die Schwestern nicht von der wechselvollen Geschichte und deren Kriege verschont geblieben. In den 1720er-Jahren seien Kloster und Kirche in ihrer jetzigen Form erbaut worden. „1803 wurde das Kloster durch die Säkularisation aufgelöst, 1836 mit Erlaubnis des bayerischen Königs aber neu belebt.“Dann der Sprung in die Neuzeit. In den seit 1972 nicht mehr genutzten früheren Stallungen errichtet der Bezirk Schwaben 1984 das Schwäbische Volkskundemuseum. Mit der Schwäbischen Galerie wird schließlich die Sanierung aller Gebäude abgeschlossen. Die Teilnehmer des Rundgangs erfahren aber nicht nur Geschichte. Die Führerin gibt Einblick in Berufskunde, nennt Maulwurffänger und Hopfenstangenzieher. Diese Zeitgenossen haben seinerzeit mit Verwalter, Maurermeister und Nachwächter das heutige Gebäude des Bräustübles bewohnt. „Das Haus war ein bedeutender Bau“, berichtet Roth-Bojadzhiev. „Damals war das Kloster nämlich noch komplett ummauert, und das Gebäude verfügte über das einzige Zufahrtstor.“Dieses Bauwerk wirke jedoch nur durch seine Größe, so die Führerin. Sie fordert auf, den Blick auf die Hausensembles zu richten. Nirgends sei Schmuck oder pompöse Architektur zu sehen. „Alles strahlt eine Nüchternheit, ja Kargheit aus, eine Reduzierung auf das Hauptsächliche.“Dies dokumentiere nichts anderes als den Geist des Zisterzienserordens.