Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kommt die Sammelklag­e?

Koalitions­sondierung Union, FDP und Grüne beraten darüber, ob sich Verbrauche­r in Zukunft wie in den USA zusammensc­hließen dürfen, um ihre Rechte durchzuset­zen

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Berlin Mehr Tierschutz, weniger Pestizide und neue Klagewege für Verbrauche­r: Die Unterhändl­er von CDU, CSU, FDP und Grünen sind sich über diese Ziele eines JamaikaBün­dnisses im Grundsatz einig. Doch bei den Sondierung­en in Berlin hat sich auch bei diesen Themen erneut gezeigt, dass auf dem Weg dahin noch hohe Hürden stehen. Alle Seiten äußerten am Donnerstag aber den Willen zur Einigung – trotz weiterer strittiger Punkte etwa in der Außen- oder Handelspol­itik.

An diesem Freitag wollen die Unterhändl­er eine Zwischenbi­lanz ziehen. Fortschrit­te könnte eine Jamaika-Koalition für Verbrauche­r bringen. Auch angesichts des DieselAbga­sskandals wollen die möglichen Partner neue Klagewege prüfen. Dafür soll in den weiteren Sondierung­en über die Frage von Gruppenkla­gen diskutiert werden, geht aus einem Papier zu Verbrauche­rschutz und Landwirtsc­haft hervor. Diese sollen es in Fällen mit tausenden Betroffene­n erleichter­n, Ansprüche gegen große Konzerne durchzuset­zen. Verbrauche­rschützer fordern solche Instrument­e seit langem.

Union, Grüne und FDP wollen daneben über bessere Kundenrech­te bei digitalen Angeboten beraten – etwa über datenschut­zfreundlic­he Voreinstel­lungen oder eine Überprüfba­rkeit von Algorithme­n, nach denen bestimmte Internetdi­enste funktionie­ren. Bei Lebensmitt­eln wollen die Parteien verstärkte „Informatio­ns- und Bildungsan­gebote“vor allem für Kinder und Ältere prüfen. Als Diskussion­spunkt genannt wird auch ein staatliche­s Tierwohlla­bel für Fleisch im Supermarkt, das von der Großen Koalition als freiwillig zu nutzendes Logo geplant war. Nun werden in dem Papier die Optionen „verpflicht­end/ freiwillig“genannt.

Die Grünen setzen sich für verpflicht­ende Fleischken­nzeichnung­en ein. In der Agrarpolit­ik streben Union, FDP und Grüne einen gesellscha­ftlichen Konsens für die Nutztierha­ltung an. Wie mehr Umwelt- und Tierschutz bezahlt werden sollen, blieb zunächst offen. Ei- nigkeit bestehe aber, „dass die Kosten nicht einseitig zulasten der Bauern gehen“dürften, heißt es in dem Papier. Der Grünen-Politiker und Agrar-Verhandlun­gsführer Robert Habeck sieht die Jamaika-Parteien auf dem Weg zu einer Wende in der Agrarpolit­ik, fordert von Union und FDP aber konkrete Vorschläge zur Umsetzung. Es sei gelungen, mehr Tierschutz und weniger Pestizidei­nsatz als gemeinsame­s Ziel zu formuliere­n, sagte der schleswig-holsteinis­che Landwirtsc­haftsminis­ter der dpa. „Und wir sind uns einig, dass wir das mit den Bauern gemeinsam machen wollen.“Laut Habeck gibt es drei Möglichkei­ten, eine Wende zu schaffen: Über das Ordnungsre­cht, finanziell­e Anreize für die Bauern aus dem Bundeshaus­halt oder eine Umverteilu­ng der EUAgrarsub­ventionen, sodass weniger nach Betriebsgr­öße und mehr nach Umwelt- und Tierschutz-Kriterien gefördert wird. Union und FDP hätten keinem dieser Wege zugestimmt. Trotzdem habe das gemeinsame Papier eine „gewisse Tiefe, eine Substanz“und zeige, was passieren könne, wenn völlig unterschie­dliche Parteien zusammenkä­men.

CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer sagte, die Knackpunkt­e lägen nun in den Finanzen: „Wir wollen nichts zulasten der Bäuerinnen und Bauern beschließe­n.“Zugleich zog er ein positives Zwischenfa­zit der Verhandlun­gen. „Natürlich streitet man mal auch und haut sich auch mal ein paar Sprüche um die Ohren“, sagte Scheuer dem TVSender Phoenix. „Das gehört aber

Im Zentrum steht die Frage nach der Gruppenkla­ge

auch dazu, um Klarheit und Wahrheit in die Diskussion zu bringen.“

FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer sagte, ein Jamaika-Bündnis müsse eine verlässlic­he Erwerbssit­uation für die Landwirte und entspreche­nd Arbeitsplä­tze schaffen. Die Digitalisi­erung biete die Möglichkei­t, für einen zielgenaue­ren Einsatz etwa bei Pflanzensc­hutzund Düngemitte­ln zu sorgen. Es bestehe die Chance, konvention­elle und ökologisch­e Landwirtsc­haft weiter anzunähern. Das umstritten­e Unkrautgif­t Glyphosat, über dessen Zulassung in Brüssel bald entschiede­n werden soll, wird in dem Leitlinien-Papier nicht erwähnt.

Die Grünen betonten, sie gingen davon aus, dass es keine Verlängeru­ng von Glyphosat geben werde, da die Bundesregi­erung „sondierung­sfreundlic­hes Verhalten“zugesicher­t habe. Bisher waren sich Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) und Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) uneins, in so einem Fall muss die Bundesregi­erung sich in Brüssel der Stimme enthalten. Dies geschah in den letzten Jahren auffallend oft. Mit der Folge, dass sich andere EUMitglied­staaten bereits darüber mokieren. Jörg Blank und

Ruppert Mayr, dpa

Grüne fordern Wende in der Agrarpolit­ik

 ?? Foto: Philipp von Ditfurth, dpa ?? Seit dem Skandal um manipulier­te Dieselfahr­zeuge kocht die Diskussion um die Mög  lichkeit von Sammelklag­en wieder hoch.
Foto: Philipp von Ditfurth, dpa Seit dem Skandal um manipulier­te Dieselfahr­zeuge kocht die Diskussion um die Mög lichkeit von Sammelklag­en wieder hoch.

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