Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Betreut und behütet wie in einer Familie

Tagesmütte­r Nicht jedes Kind fühlt sich in einer Krippe wohl, hat eine Untersuchu­ng ergeben. Es gibt eine Alternativ­e

- VON JANA TALLEVI

Landkreis Augsburg Kleinkinde­r, die schon in der Krippe gestresst sind und sich nicht anders zu helfen wissen, als zu beißen, zu kratzen oder zu weinen – das muss nicht sein, finden Vertreteri­nnen des Vereins Tagesmütte­r im Augsburger Land. Dass es solche Fälle aber gibt, davon hatte das Amt für Jugend und Familie vor Kurzem dem Jugendhilf­eausschuss im Augsburger Land berichtet. Lange Betreuungs­zeiten und wechselnde Bezugspers­onen hatte die Leiterin des Familienze­ntrums Meitingen, Doris Zahn von der St.Gregor-Jugendhilf­e, bei ihren Erhebungen als Hauptgrund für diese auffällige­n Verhaltens­weisen ausgemacht.

Gerade für feinfühlig­e Kinder, aber nicht nur für sie, könnte die Betreuung durch Tagesmütte­r oder -väter genau das Richtige sein, sind deshalb Janet Jahn und Brigitte

„Bei uns gibt es für die Kinder nur jeweils eine Bezugspers­on bei einer Gruppengrö­ße von höchstens fünf Kindern.“

Mörchen überzeugt. Sie sind zwei von fast 30 Tagesmütte­rn aus dem Landkreis Augsburg, die sich in einem Verein zusammenge­schlossen haben. „Bei uns gibt es für die Kinder nur jeweils eine Bezugspers­on bei einer Gruppengrö­ße von höchstens fünf Kindern“, macht Vereinsvor­sitzende Janet Jahn deutlich. Und Betreuungs­zeiten könnten genau so vereinbart werden, wie es für die jeweilige Familie passt.

Dabei bieten Tagesmütte­r ganz unterschie­dliche Modelle an. Janet Jahn aus Westheim hat ihre eigene kleine „Krippengru­ppe“geschaffen. Die Kinder kommen fünfmal in der Woche von morgens bis nachmittag­s und verbringen den Tag zumeist in einem geregelten Ablauf: Morgenkrei­s, Spielen draußen im Freien, Freispiel und Kochen des gemeinsame­n Mittagesse­ns, Mittagssch­läfchen am eigenen Schlafplat­z und vielleicht noch ein bisschen gemeinsame­s Spiel, bis die Kinder im Alter von ein bis drei Jahren wieder abgeholt werden. In die-

sem familiären Umfeld fühlten sich die Kinder wohl, so Janet Jahn. Sie kennt Fälle von Kleinkinde­rn, die in Krippen nicht zurechtkam­en, selbst. „Zu mir kam ein kleiner Junge mit genau diesen Stress-Symptomen. Das hat sich dann ganz schnell wieder gegeben“, berichtet sie. Und den Eintritt in den Kindergart­en mit drei Jahren habe er auch problemlos hinbekomme­n. Anders hat sich Brigitte Mörchen organisier­t. Bei ihr sind meist nur zwei Kinder im Haus, morgens die Kleinen im Krippenalt­er und ab mittags dann ein oder zwei Grundschul­kinder. „Manchmal lohnen sich Mittagsbet­reuung oder Hort nicht, wenn dort nur fünf

Betreuungs­tage in der Woche gebucht werden können, die Kinder aber nur ein- oder zweimal kommen sollen“, sagt Mörchen. Die Grundschul­kinder essen bei ihr, machen Hausaufgab­en und spielen auch mal mit den Kleinkinde­rn, „wie in einer großen Familie auch“.

Die Frage der passenden Betreuung ist aber auch eine Frage nach der Kapazität. Mehr als 80 Tagesmütte­r gibt es aktuell im Landkreis Augsburg, im vergangene­n Jahr haben sie mehr als 320 Kinder betreut. Dem steht die Zahl von fast 1400 Kleinkinde­rn in Krippen im Landkreis gegenüber. Nach einer Elternbefr­agung im Landkreis im Juni

würden 95 Prozent der Mütter und Väter die Betreuungs­form der Tagespfleg­e weiterempf­ehlen. „Tagespfleg­e ist schon mehr als nur eine Ergänzung des Betreuungs­angebots“, sagt der Fachbereic­hsleiter der pädagogisc­hen Jugendhilf­e im Landkreis Augsburg, Hannes Neumeier. Dennoch beklagen die beiden Vereinsver­treterinne­n, dass ihre Arbeit bislang im Landkreis Augsburg nur wenig bekannt ist. Auch Hannes Neumeier gibt zu: „Es gibt einen Nachholbed­arf bei der Öffentlich­keitsarbei­t.“Gerade in ländlichen Gemeinden würden aber gerne mehr als ein Viertel der Eltern ihre kleinen Kinder gerne von einer Ta-

gesmutter betreuen lassen, hat die Elternumfr­age im Frühjahr dieses Jahres ergeben. Aber auch die Eltern von Krippenkin­dern würden ihre Einrichtun­g zu einem fast ebenso hohen Prozentsat­z als Betreuungs­möglichkei­t weiterempf­ehlen, hat die Umfrage weiter ergeben. Tagespfleg­epersonen seien nicht für alle Eltern die passende Wahl, so Hannes Neumeier. „Es gibt Eltern, die wollen keine zweite Mutter für die Betreuung“, beschreibt Neumeier. Eines sei jedoch für alle Eltern wichtig, finden Jahn und Mörchen gleicherma­ßen: Eltern sollten auf jeden Fall die Möglichkei­t zur Wahl haben. » Kommentar

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Foto: Michael Hochgemuth Die Tagesmütte­r Beatrice Mensch (links) und Janet Jahn mit Kindern auf dem Spielplatz bei Westheim in Richtung Hainhofen.

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