Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie das Aus von Ledvance einzuordnen ist
Debatte Während das Unternehmen sein Werk schließen will, geht es der heimischen Wirtschaft grundsätzlich gut. Das belegen die Konjunkturumfragen. Es gibt aber Risiken
Die Nachricht, dass die Geschäftsleitung das LedvanceWerk am Standort Augsburg schließen möchte, war Anfang der Woche eine Hiobsbotschaft für die Wirtschaftsregion Augsburg. Es droht der Verlust von 650 Arbeitsplätzen, auch wenn die Politik im Zusammenspiel mit Gewerkschaften und Wirtschaftskammern umgehend angekündigt hat, gegen den geplanten Stellenabbau in dieser gravierenden Form vorgehen zu wollen. Es lohnt sich auf alle Fälle, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Mit welchem Erfolg dies passiert, werden wohl erst die nächsten Wochen und Monate zeigen. Wenn ein großes Unternehmen das Aus eines Werks verkündet, stellt sich schnell die Frage, wie sieht es generell um die wirtschaftliche Lage in einer Region aus? Am Freitag drang die Nachricht durch, dass auch Kuka am Standort Augsburg 250 Stellen streichen will. Droht jetzt noch weiteres Ungemach? Werden womöglich bald in anderen Firmen ebenfalls Mitarbeiter in großem Stil entlassen?
Wer mit Vertretern aus der Wirtschaft spricht, die Einblicke in die heimischen Unternehmen haben, kommt zur Erkenntnis, dass das angekündigte Aus von Ledvance in Augsburg kein Vorbote eines wirtschaftlichen Einbruchs ist. Dazu geht es den heimischen Betrieben, egal ob in der Industrie oder im Handwerk, zu gut. Die Auftragsbücher in vielen Unternehmen sind gefüllt. Die Stimmung in der Wirtschaft bleibt anhaltend gut. Dies belegen die jüngsten Konjunkturumfragen der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer. Auch die Investitionsbereitschaft ist vorhanden.
Betriebe in der Region profitieren dabei von der allgemein guten wirtschaftlichen Lage. Die Wirtschaft befindet sich im neunten Jahr in einer Hochkonjunktur. Arbeitskräfte sind begehrt. Die Zahl der Arbeitslosen ist auf einem historisch niedrigen Stand. Im Oktober lag sie im Wirtschaftsraum bei 3,4 Prozent. Die neue Chefin der Arbeitsagentur, Elsa Koller-Knedlik, spricht davon, dass sich Augsburg in vielen Bereichen über dem bayerischen Durchschnitt entwickelt, auch wenn jetzt die Einschnitte bei Ledvance und Kuka schmerzen.
Woran sind diese Erfolge festzumachen? Es ist bekannt, dass die heimische Wirtschaft breit aufgestellt ist. Es gibt nach wie vor eine starke Orientierung zur Produktion in der Region. Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass viele industrienahe Dienstleistungen in der Region anzutreffen sind. Der Technologiesektor wird nicht zuletzt durch den Innovationspark Augsburg und der damit verbundenen Ansiedlung von Forschungseinrichtungen entsprechend weiter gefördert. Der Standort hat an Anziehungskraft gewonnen, was vor allem auch an der verkehrlichen Erreichbarkeit liegt. Der sechsspurige Ausbau der A 8 in Richtung Ulm und München ist ebenso ein Baustein wie die Anbindung über die A96, die B2 und die B17. Wenn in den nächsten Jahren nun endlich der neue Containerbahnhof im Güterverkehrszentrum im Städtedreieck Augsburg, Gersthofen und Neusäß errichtet wird, kommt dies den exportabhängigen Unternehmen ebenfalls zugute.
Natürlich gibt es Risiken, die der heimischen Wirtschaft zusetzen können. Als Stolpersteine mögen der Brexit und der Handel mit der Türkei gelten. Für exportabhängige Firmen ist der unternehmerische Erfolg vielfach auch davon abhängig, wie sich das Russland-Geschäft entwickelt. Strukturelle Krisen in einzelnen Branchen könnten sich ebenfalls fatal auf die Wirtschaftsregion auswirken. Es gibt viele Firmen, die der Automobilindustrie zuliefern. Die Zukunft des Verbrennungsmotors spielt dabei eine zentrale Frage.
Als größtes Risiko gilt derzeit, so lauten zumindest die übereinstimmenden Aussagen der Wirtschaftskammern, der Fachkräftemangel. Qualifiziertes Personal ist die Voraussetzung, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Dies mag für einen Teil der Ledvance-Beschäftigten jetzt die Hoffnung sein, dass sie eine Stelle in einem anderen Unternehmen finden. Das angekündigte Aus des Werks hat jedenfalls nichts mit dem Wissen und der Qualifikation der Mitarbeiter zu tun. Es ist eine Konzernentscheidung, die sich gegen den Standort Augsburg richtet. Die 650 Mitarbeiter sind die Leidtragenden.