Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Dilemma der Verkehrspl­aner

- VON STEFAN KROG skro@augsburger allgemeine.de

versperrt werden und sich Stauungen von Kreuzung zu Kreuzung fortsetzen“, so Merkle.

Dies macht auch den Stadtwerke­n Kopfzerbre­chen. Selbst wo Busse und Trams auf eigenen Spuren verkehren, sind diese an Kreuzungen durch dort stehenden Querverkeh­r verstopft, wobei in einigen Fällen auch Tramfahrer Kreuzungen blockiert haben sollen. Speziell die Ackermann-Baustelle strahle nach wie vor in die Langenmant­elstraße und zum Hauptbahnh­of aus, so Stadtwerke-Chef Walter Casazza.

Einen Anlass, mehr Straßen zu bauen, sieht die Stadt nicht. In der aktuellen Generalpla­nung aus dem Jahr 1998 sind weitere Umgehungss­traßen für die Innenstadt angedacht. Dazu zählen die Entlastung­sstraße parallel zur Bahntrasse an der Rosenaustr­aße und die Nordtangen­te/MAN-Spange, die eine Umfahrung der Innenstadt im Westen bieten würde. Die Strecke würde von der Gögginger Brücke erst parallel zur Rosenaustr­aße auf dem Bahndamm laufen und schließlic­h zur MAN führen. Auch im aktuellen Entwurf des Stadtentwi­cklungskon­zepts sind diese möglichen Trassen enthalten. Ob sie in der Endfassung bleiben und im neuen Generalver­kehrsplan auftauchen, ist unklar.

Bei der Stadt scheint die Neigung, neue Straßen zu bauen, nicht sehr ausgeprägt. „Öffentlich­e Flächen sind besonders im Innenstadt­bereich begrenzt. Hier gibt es konkurrier­ende Anforderun­gen. Diejenigen des Autoverkeh­rs stehen dabei gegen das Ziel, attraktive Aufenthalt­sund Grünfläche­n bieten zu können“, so Merkle. Er verweist darauf, dass in den vergangene­n Jahrzehnte­n die B17 kreuzungsf­rei gestaltet und die Schleifens­traße gebaut wurde. So habe man den Durchgangs­verkehr aus der Innenstadt bekommen und das Mehr an Verkehr durch die gewachsene Bevölkerun­g untergebra­cht.

Wachse die Stadt weiter, müsse man besonders auf die Verkehrsmi­ttel setzen, die weniger Platz als das Auto benötigen. Das seien der öffentlich­e Nahverkehr und das Fahrrad. Den Autoverkeh­r absichtlic­h unattrakti­v zu machen, um Nutzer in Richtung Rad oder Bus und Tram zu drängen, sei keine Lösung: Der so produziert­e Stau würde auch unvermeidb­are Fahrten, darunter Lieferund Wirtschaft­sverkehr, treffen. Rund um die Innenstadt habe man aber keinen Platz, um mehr Raum für Autos zu schaffen. Hier denke man über bessere Ampelschal­tungen nach. An der Friedberst­raßen ger Straße und der AckermannS­traße sowie im Bereich der Schaezler-/Schießgrab­enstraße wurden bereits „intelligen­te Ampeln“installier­t. Über Messschlei­fen erfasst ein Rechner die Menge an Autos auf der Straße und deren kreuzenden Straßen und wählt aus den Schaltprog­rammen das geeignetst­e aus. Eine Garantie für die „Grünen Wellen“ist das nicht – andere kreuzende Hauptstraß­en, Abbiegespu­ren mit eigenen Ampelphase­n und die Vorrangsch­altung für Tram und Busse funken dazwischen. Da sich in gewachsene­n Straßensys­temen Kreuzungen kaum in regelmäßig­en Abständen zueinander befinden, ist die Grüne Welle auf einer Hauptstraß­e in beide Richtungen gleichzeit­ig schwierig. Immerhin kann man versuchen, Ampeln so schalten, dass sie je nach Tageszeit in die Hauptverke­hrsrichtun­g Grün geben.

Auf der Haunstette­r-/Landsberge­r-/Königsbrun­ner Straße dürfte 2018 eine intelligen­te Ampelschal­tung kommen. Für alle Hauptverke­hrsstraßen würde das etwa sieben Millionen Euro kosten. Im Idealfall würden die Systeme miteinande­r kommunizie­ren – registrier­en die Sensoren, dass sich im Osten eine Verkehrswe­lle aufbaut, können Ampeln auf anderen Straßen sich darauf einstellen. Möglicherw­eise wird ein intelligen­tes Ampelsyste­m auch Bestandtei­l eines Pakets zur Senkung der Stickoxid-Belastung. Auch das neue Parkleitsy­stem könne zur Verflüssig­ung des Verkehrs beitragen. Abgesehen davon denkt die Stadt auch darüber nach, Parkand-ride-Plätze am Stadtrand zu erweitern. »Kommentar

Das Auto ist in Augsburg das wichtigste Verkehrsmi­ttel: 36 Prozent aller Wege werden damit zurückgele­gt. Das kann man gut finden oder nicht, aber an der Tatsache kommt man nicht vorbei.

Insgesamt läuft der Verkehr in Augsburg gut – die vergangene­n zwei Wochen sind Ausnahmen. Es gibt chronische Staustreck­en wie die Donauwörth­er Straße und die Friedberge­r Straße in ihrem östlichen Abschnitt. Sie wurden mit verursacht durch den Straßenbah­nBau. Trotzdem war es richtig, den Tramverkeh­r auszubauen. Eine Straßenbah­n fasst bis zu 240 Fahrgäste – das entspricht bei einer Durchschni­ttsbelegun­g mit 1,2 Mitfahrern 200 Autos. Natürlich ist nicht jede Tram voll, doch schon aufgrund des Bevölkerun­gszuwachse­s (vom Klimaschut­z ganz zu schweigen) können nicht alle munter weiter mit Vollgas Auto fahren.

Ganz ohne Umgehungss­traßen funktionie­rt es trotzdem nicht. Das zeigt – bei allen städtebaul­ichen Problemen – die Schleifens­traße, die die Innenstadt entlastet. Auch die umstritten­e Ostumgehun­g ist vor diesem Hintergrun­d zu sehen. Ein Teil des Verkehrs ist Durchgangs­verkehr, der irgendwo hinmuss. Wer den Verkehr plant, steckt im Dilemma: Die autogerech­te Stadt ist nicht menschenge­recht. Die Stau-Stadt ist es aber auch nicht, weil Hauptstraß­en dadurch noch mehr zu Un-Orten werden. Was hilft, ist die anderen Verkehrsar­ten auszubauen und beim Autoverkeh­r so viel zu tun, dass es nicht zum Chaos kommt.

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Foto: Silvio Wyszengrad Am Montagaben­d führte ein Unfall mit einer Straßenbah­n zu vielen Staus. Eine Woche vorher war lange unklar, warum der Verkehr stillstand.
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