Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ihr Leben ist der Hühnerhof
Landwirtschaft Anna und Jörg Ostermeier haben sich einen Traum erfüllt: Bei Adelsried haben sie einen Stall für 6000 Hühner gebaut. Hier ist nicht nur alles bio – die jungen Bauern wollen auch die Einstellung zu Lebensmitteln verändern
Anna und Jörg Ostermeier haben sich einen Traum erfüllt: Bei Adelsried haben sie einen Bio-Stall für 6000 Hühner gebaut. Was dahinter steckt.
Adelsried Andere in ihrem Alter machen Karriere, bauen ein Häuschen. Anna und Jörg Ostermeier, 31 und 34 Jahre alt, gehen einen anderen Weg: Sie haben sich ihren Traum vom eigenen Hühnerhof verwirklicht. Einen, auf dem nachhaltig gearbeitet wird, wo die Tiere Platz haben und gesund leben sollen.
Das Paar aus Adelsried ist schon lange zusammen und mittlerweile verheiratet. Nun haben sich die zwei entschieden, nicht nur ihre Freizeit zu teilen, sondern auch die Arbeit. Beide haben Agrarwissenschaften studiert. Anna kommt nicht aus der Landwirtschaft, Jörg schon. Der Bauernhof der Familie Ostermeier befindet sich seit mehreren Generationen in Familienhand. Doch dort, mitten im Ort, war keine Expansion möglich, auch keine Umstellung auf Bio-Standards. Und so entschieden sich Anna und Jörg Ostermeier, einen Aussiedlerhof zu bauen und von der Milchvieh- auf Hühnerhaltung umzusteigen. Am Hasenberg, Richtung Bonstetten, haben sie Platz für ihre Träume und können den Tieren ein artgerechtes Leben bieten.
Nach gut einem Jahr Baustelle ist der Stall nun fertig. 6000 Hühner leben darin. Das kommt einem erst einmal viel vor, doch in vielen Legebetrieben ist es ein Vielfaches davon. Oft sehen die Tiere dort nie Tageslicht. Das ist in Adelsried anders. Es gibt nicht nur einen hellen Wintergarten, die Vögel bekommen auch täglich frische Luft. Sie können sich auf der 4,5 Hektar großen Freifläche zwischen Gräsern und Blumen austoben – und zwar das ganze Jahr über. Damit die Tiere viel Platz und Ruhe bekommen, haben die Ostermeiers viel größer gebaut als vorgeschrieben. Bei konventioneller Bodenhaltung seien neun Tiere pro Quadratmeter erlaubt, bei Bio-Haltung sechs, sagt die Bäuerin. „Bei unserem Stall sind es 3,7 Tiere pro Quadratmeter.“Arg streng riecht es hier nicht, die Tiere bewegen sich ruhig, ohne wildes Gackern.
In der Mitte befinden sich die Nester. Die Eier plumpsen von dort auf ein Förderband. Dieses transportiert sie aus dem Stall in den Vorraum zur Kontroll-, Sortier- und Verpackmaschine. Das klingt vollautomatisch, ist aber trotzdem aufwendige Handarbeit. Zunächst sortieren Anna und Jörg Ostermeier die Eier aus, die dreckig sind oder einen Riss haben, dann werden sie automatisch gestempelt und nach Größen geordnet. Beim Verpacken sind dann wieder die Menschen gefragt. Das alles machen die beiden übrigens neben ihrem Beruf.
Das Ziel ist, dass jede Henne jeden Tag ein Ei legt. „Zurzeit sind wir knapp bei der Hälfte“, sagt Jörg Ostermeier. Das sei aber ganz normal: „Die müssen sich erst eingewöhnen, dann steigt die Legeleistung und die Eier werden größer.“Dabei helfen sie ihren Tieren. Sie müssen ihnen beibringen, dass sie am Abend, wenn es dunkel wird, von der Wiese zurück in den Stall gehen, dass sie ihre Eier in die Nester legen und nachts auf den Sitzstangen schlafen. Am Anfang haben die zwei Hühnereltern ihre Schützlinge sogar persönlich ins Bett gebracht, erzählt Anna Ostereier schmunzelnd: „Wir haben Hunderte Hühner händisch auf die Stangen gesetzt.“Die Erziehung klappt bei Hühnern übrigens genauso wie bei Haustieren und so manchem Menschen: mit Futter.
Das ist auf dem Hof teilweise selbst gemacht. Die Ostermeiers bewirtschaften 40 Hektar nach Bioland-Richtlinien. Dort wachsen Wiese, Weizen, Gerste und Ackerbohnen. All das landet in den Futtertrögen der Hühner. Statt mit Pflanzenschutzmitteln werden die Felder mit Hühnermist gedüngt.
Wichtig ist den beiden die sogenannte Zweinutzung: Auch die Brüder ihrer Hennen sollen leben. In der Regel werden die männlichen Küken nämlich aussortiert, geschreddert und entsorgt. Weil sie keine Eier legen und kaum Fleischansatz haben, sind die für die Industrie uninteressant. Die Adelsrieder „Bruderhähne“dürfen dagegen überleben. Zumindest zehn Wochen lang. Sie werden in einem Hof in Österreich aufgezogen und dann geschlachtet. Anschließend bekommen die Ostermeisters das Fleisch zurück, das erste wird vermutlich im Januar auf dem Hasenberghof verkauft. „Der Gockel ist zwar klein, schmeckt aber total super!“, schwärmt Anna Ostermeier.
Der Großteil ihrer Eier geht in den Handel. Aber auch in Adelsried kann man sie kaufen: Am Eierautomat gegenüber der Post und jeden Samstagvormittag auf dem Hof. Die 31-Jährige freut sich, wenn sie dann mit den Kunden ins Gespräch kommen kann. Sie spürt, dass die Menschen Interesse daran haben, wie Lebensmittel entstehen, woher sie kommen und was sie wert sind. Sie will ihnen klar machen: „Ohne den Landwirt ist der Supermarkt leer.“»Kommentar