Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Hoch auf die bayerische Wirtshauskultur
Musik Bajuwarische Sinfonien mit Luftpumpen, Schrotflinten als Didgeridoos: Wie die drei feschen Herren von Knedl & Kraut ihr Publikum in Gersthofen mit einer abendfüllenden Heimatshow zum Kreischen bringen
Gersthofen Dr. Schiwago auf einer schäbigen Handwerkersäge gespielt? Paganini auf einem ausgehöhlten Wanderstock vorgetragen? Weiblicher Mittelaltergesang von einem stämmigen Schnauzbartkoloss interpretiert? Dass all dies und noch sehr viel mehr in den Möglichkeiten einer rural geprägten Musikkapelle liegen kann, zeigte in allerbester Weise das g’standene Heimattrio Knedl & Kraut in Gersthofen.
Denn diese drei feschen Herren haben sich nichts Geringeres zur Mission gemacht als die musikalische Wirtshauskultur zwischen Ammersee und Alpenkamm wieder aufblühen zu lassen – mit höchst eigenwilligen Methoden wohlgemerkt. Die Stadthalle zog daher mit ungewohnter Festzeltbestuhlung und einer rustikalen Brotzeitkarte nicht nur alteingesessene Freunde der
Wenn sie erst einmal in Fahrt gekommen sind, gibt es keine Grenzen mehr für die drei Urviecher aus dem sonnigen Süden
bayerischen Feierkultur an. Was die drei zünftigen Stammtischbrüder von Knedl & Kraut dort auf die Zuschauer los ließen, übertraf wohl alle Erwartungen des Publikums.
Zunächst begann jedoch alles relativ beschaulich: Mit historischer Quetsch’n, wohldosierten Gitarrenklängen und authentischem Heimatgesang waren die feuchtfröhlichen Klänge anfangs noch am ehesten dem Genre „derbleckende Wirtshausmusi“zuzuordnen, wobei die dargebrachten Gstanzln durch derbe Mundartscherze und freche Anekdoten aus der Alpenwelt ergänzt wurden.
Doch sehr schnell entwickelte sich aus dem Ganzen ein wahres Feuerwerk an aberwitzigen Kunstgriffen und musikalischer Kongenialität. Spätestens als von den drei Haudegen die ersten Requisiten der eigens aufgebauten Almhütte als „Instrumente“in Beschlag genom- men wurden, waren lautstarke Jubelstürme unter den Zuschauern regelmäßiger Bestandteil der abendfüllenden Heimatshow: Bajuwarische Sinfonien wurden mit Luftpumpen in Szene gesetzt, längst vergessene Weisen mittels antiker Landwirtschaftsgeräte neu interpretiert, doppelläufige Schrotflinten mit den Lippen in australische Didgeridoos verwandelt.
An dieser Stelle konnte man kaum glauben, dass noch größere Absurditäten folgen würden, doch wenn Knedl & Kraut erst einmal in Fahrt gekommen sind, gibt es offensichtlich keine Grenzen mehr für die drei Urviecher aus dem sonnigen Süden – wer sonst käme schon auf die Idee, den Welthit „Lambada“auf einer schnoddernden Maultrommel zu spielen oder nicht weniger als drei Lieder gleichzeitig auf einer einzigen Ziehharmonika zum Besten zu geben.
Als wahres Multitalent der ungewöhnlichen Truppe tat sich im Laufe des Abends schließlich zunehmend der Garmischer Allrounder Daniel Neuner hervor, der unter anderem mit der Darbietung eines mittelalterlichen Ständchens mit säuselnder Damenstimme die Besucher zum Kreischen brachte oder den Hitparadenstürmer „Hans bleib do“in sämtlichen Sprachen der Welt zu interpretierten wusste – mal im Stil eines schmalztriefenden ItaloLovers, mal als jammernder Muezzin, der im lautstarken Bariton seine wehklagenden Weisen von einer Moschee herunterbrüllt. Unterstrichen wurden die Blödeleien der bayerischen Barden durch die oftmals völlig sinnfreien Texte ihrer Lieder, die irgendwann kein Auge im Publikum mehr trocken ließen. Die zünftige Ode an den Schnupftabak begeisterte dabei ebenso wie eine Persiflage auf die moderne Landwirtschaft, in der die Kühe online gemolken werden und bei welcher die Bauern ganz brav vegane Kokosmilch produzieren.
Authentische Hüttenmusi’, herzerfrischende Kabarettkunst und eine unglaubliche Ideenvielfalt hinsichtlich der selbst gefertigten Instrumente – eine ungewöhnliche Verbindung, die gnadenlos gut funktionierte. Wer einmal Knedl & Kraut serviert bekommen hat, wird bestimmt auch keinen Schweinebraten mehr auf dem Teller vermissen.