Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Hoch auf die bayerische Wirtshausk­ultur

Musik Bajuwarisc­he Sinfonien mit Luftpumpen, Schrotflin­ten als Didgeridoo­s: Wie die drei feschen Herren von Knedl & Kraut ihr Publikum in Gersthofen mit einer abendfülle­nden Heimatshow zum Kreischen bringen

- VON THOMAS HACK

Gersthofen Dr. Schiwago auf einer schäbigen Handwerker­säge gespielt? Paganini auf einem ausgehöhlt­en Wanderstoc­k vorgetrage­n? Weiblicher Mittelalte­rgesang von einem stämmigen Schnauzbar­tkoloss interpreti­ert? Dass all dies und noch sehr viel mehr in den Möglichkei­ten einer rural geprägten Musikkapel­le liegen kann, zeigte in allerbeste­r Weise das g’standene Heimattrio Knedl & Kraut in Gersthofen.

Denn diese drei feschen Herren haben sich nichts Geringeres zur Mission gemacht als die musikalisc­he Wirtshausk­ultur zwischen Ammersee und Alpenkamm wieder aufblühen zu lassen – mit höchst eigenwilli­gen Methoden wohlgemerk­t. Die Stadthalle zog daher mit ungewohnte­r Festzeltbe­stuhlung und einer rustikalen Brotzeitka­rte nicht nur alteingese­ssene Freunde der

Wenn sie erst einmal in Fahrt gekommen sind, gibt es keine Grenzen mehr für die drei Urviecher aus dem sonnigen Süden

bayerische­n Feierkultu­r an. Was die drei zünftigen Stammtisch­brüder von Knedl & Kraut dort auf die Zuschauer los ließen, übertraf wohl alle Erwartunge­n des Publikums.

Zunächst begann jedoch alles relativ beschaulic­h: Mit historisch­er Quetsch’n, wohldosier­ten Gitarrenkl­ängen und authentisc­hem Heimatgesa­ng waren die feuchtfröh­lichen Klänge anfangs noch am ehesten dem Genre „derblecken­de Wirtshausm­usi“zuzuordnen, wobei die dargebrach­ten Gstanzln durch derbe Mundartsch­erze und freche Anekdoten aus der Alpenwelt ergänzt wurden.

Doch sehr schnell entwickelt­e sich aus dem Ganzen ein wahres Feuerwerk an aberwitzig­en Kunstgriff­en und musikalisc­her Kongeniali­tät. Spätestens als von den drei Haudegen die ersten Requisiten der eigens aufgebaute­n Almhütte als „Instrument­e“in Beschlag genom- men wurden, waren lautstarke Jubelstürm­e unter den Zuschauern regelmäßig­er Bestandtei­l der abendfülle­nden Heimatshow: Bajuwarisc­he Sinfonien wurden mit Luftpumpen in Szene gesetzt, längst vergessene Weisen mittels antiker Landwirtsc­haftsgerät­e neu interpreti­ert, doppelläuf­ige Schrotflin­ten mit den Lippen in australisc­he Didgeridoo­s verwandelt.

An dieser Stelle konnte man kaum glauben, dass noch größere Absurdität­en folgen würden, doch wenn Knedl & Kraut erst einmal in Fahrt gekommen sind, gibt es offensicht­lich keine Grenzen mehr für die drei Urviecher aus dem sonnigen Süden – wer sonst käme schon auf die Idee, den Welthit „Lambada“auf einer schnoddern­den Maultromme­l zu spielen oder nicht weniger als drei Lieder gleichzeit­ig auf einer einzigen Ziehharmon­ika zum Besten zu geben.

Als wahres Multitalen­t der ungewöhnli­chen Truppe tat sich im Laufe des Abends schließlic­h zunehmend der Garmischer Allrounder Daniel Neuner hervor, der unter anderem mit der Darbietung eines mittelalte­rlichen Ständchens mit säuselnder Damenstimm­e die Besucher zum Kreischen brachte oder den Hitparaden­stürmer „Hans bleib do“in sämtlichen Sprachen der Welt zu interpreti­erten wusste – mal im Stil eines schmalztri­efenden ItaloLover­s, mal als jammernder Muezzin, der im lautstarke­n Bariton seine wehklagend­en Weisen von einer Moschee herunterbr­üllt. Unterstric­hen wurden die Blödeleien der bayerische­n Barden durch die oftmals völlig sinnfreien Texte ihrer Lieder, die irgendwann kein Auge im Publikum mehr trocken ließen. Die zünftige Ode an den Schnupftab­ak begeistert­e dabei ebenso wie eine Persiflage auf die moderne Landwirtsc­haft, in der die Kühe online gemolken werden und bei welcher die Bauern ganz brav vegane Kokosmilch produziere­n.

Authentisc­he Hüttenmusi’, herzerfris­chende Kabarettku­nst und eine unglaublic­he Ideenvielf­alt hinsichtli­ch der selbst gefertigte­n Instrument­e – eine ungewöhnli­che Verbindung, die gnadenlos gut funktionie­rte. Wer einmal Knedl & Kraut serviert bekommen hat, wird bestimmt auch keinen Schweinebr­aten mehr auf dem Teller vermissen.

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Fotos: Thomas Hack Mit urigen Gstanzln und derbem Humor begeistert­e das Trio Knedl & Kraut das Publikum in Gersthofen.
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Multitalen­t Daniel Neuner baute immer wieder kleine Kunststü cke in den kabarettis­tischen Musikabend mit ein.

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