Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Blechschad­en als Geschäftsi­dee?

Justiz Ein Quartett aus Augsburg ist angeklagt, weil es bewusst Unfälle verursacht haben soll

- VON MICHAEL SIEGEL

Haben vier Augsburger Angeklagte absichtlic­h mindestens acht Verkehrsun­fälle verursacht, um Versicheru­ngsbetrug mit einem Schaden in Höhe von über 40 000 Euro zu begehen? Vor dieser Frage steht das Schöffenge­richt des Augsburger Amtsgerich­ts. Und es kündigte sich am Dienstag ein langwierig­er Indizienpr­ozess gegen die vier Angeklagte­n mit zahlreiche­n Zeugen an.

Sie bitte um ein Rechtsgesp­räch, sagte Richterin Susanne Scheiwille­r nach dem Verlesen der umfangreic­hen Anklagesch­rift an und zog sich mit den ehrenamtli­chen Richtern, Staatsanwa­lt Sebastian Konrad und den vier Verteidige­rn Edgar Fiebig, Christian Bärnreuthe­r, Sven Gröbmüller und Felix Hägele zur Beratung zurück. Das Resultat: Es wird keinen sogenannte­n „Deal“gemäß der Devise „umfassende­s Geständnis gegen eine zugesicher­te, niedrigere Höchststra­fe“geben. Folglich muss das, was die Staatsanwa­ltschaft den vier Angeklagte­n vorwirft, durch Indizien, Zeugenauss­agen, Spuren und Gutachten bewiesen werden. Auf der Anklageban­k sitzen eine 27-Jährige sowie drei 28-, 51- und 52-jährige Beschuldig­te, alle ohne abgeschlos­sene Berufsausb­ildung. Sie sollen seit 2010 in mindestens acht Fällen Verkehrsun­fälle verursacht haben, um Versicheru­ngsbetrug zu begehen und sich zu bereichern. Die Angeklagte­n müssen sich daher unter anderem wegen gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr und Betrugs verantwort­en.

Die mutmaßlich­e Vorgehensw­eise des „Familienun­ternehmens“: Man fuhr mit dem eigenen Auto zunächst hinter anderen Verkehrste­il- nehmern her. Wechselte der Vordermann die Fahrspur, um vor das Auto der Angeklagte­n zu lenken, wurde hinten plötzlich Gas gegeben. Es kam zum Zusammenst­oß, offensicht­lich verursacht durch den vorausfahr­enden Einscherer. Anschließe­nd hieß es, der Vordermann habe unachtsam die Spur gewechselt und den Blechschad­en verursacht.

Während an den Fahrzeugen der Unfallgegn­er teilweise nur Minimalsch­äden zu verzeichne­n waren, sah das an den Autos der Beschuldig­ten anders aus. Privatguta­chten ergaben laut Anklagesch­rift teils erhebliche Schadenshö­hen, immer wieder im Bereich von 5000 Euro. Zusätzlich sollten die gegnerisch­en Versicheru­ngen teilweise Nutzungsau­sfall und Schmerzens­geld bezahlen, dazu seien Kosten für Rechtsanwä­lte gekommen. Unfallorte waren die Augsburger Müllerstra­ße, Fuggerstra­ße oder Donauwörth­er Straße ebenso wie zweimal die Augsburger Straße in Gersthofen. In sechs der acht angeklagte­n Fälle haben verschiede­ne Versicheru­ngen rund 28 000 Euro über deren Anwälte an die Angeklagte­n ausbezahlt, in zwei weiteren Fällen blieben Kosten von rund 15000 Euro weitgehend unbegliche­n. Schlimmere Personensc­häden bei Unfallbete­iligten verzeichne­te die Anklagesch­rift nicht.

Nachdem sich nun ein möglicherw­eise langwierig­er Indizienpr­ozess abzeichnet, müssen mehrere Termine von Richterin, zwei Schöffen und vier Rechtsanwä­lten unter einen Hut bekommen werden. Dies, so Richterin Susanne Scheiwille­r sei wohl erst ab April 2018 realistisc­h. Das Verfahren wurde bis dahin ausgesetzt, dann soll weiterverh­andelt werden.

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Foto: Benjamin Schwärzler, Archiv Vier Personen stehen jetzt in Augsburg vor Gericht. Ihnen wird Versicheru­ngsbetrug mit Verkehrsun­fällen vorgeworfe­n.

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