Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Falscher Pilot landet im Gefängnis

Gericht Ein Mann gibt sich als Lufthansa-Kapitän aus, schwört einer Frau seine Liebe und bringt sie um ihr Erspartes. Erst glaubt sie dem Hochstaple­r. Doch jetzt wurde der 61-Jährige verurteilt

- VON MANUELA BAUER

Ein Mann hat sich als LufthansaK­apitän ausgegeben und eine Frau um ihr Erspartes gebracht. Jetzt stand er vor Gericht.

Landkreis Augsburg Sie reisen um die Welt, verdienen viel, tragen schicke Uniformen: Piloten scheinen auf Frauen mitunter eine große Anziehungs­kraft zu haben. Deshalb setzen auch Betrüger immer wieder auf die Piloten-Masche – besonders bekannt ist das aus der Gaunerkomö­die „Catch Me if You Can“, wo Leonardo DiCaprio den Hochstaple­r Frank Abagnale spielt, den es übrigens tatsächlic­h gab.

Filmreif ist auch der Fall, der gestern vor dem Amtsgerich­t Augsburg verhandelt wurde. Ein Mann hat sich als Flugkapitä­n der Lufthansa ausgegeben, einer Frau seine Liebe geschworen und sie um ihr ganzes Erspartes gebracht. Deshalb muss er sich nun wegen Betrugs verantwort­en. Doch der Mann, der an diesem Nachmittag von zwei bewaffnete­n Justizbeam­ten in den Gerichtssa­al geführt wird, hat nichts von Leonardo DiCaprio: braune Hose, blauer Pulli, Halbglatze, Bauch. Trotzdem hat der 61-Jährige es geschafft, eine 51-Jährige aus dem nördlichen Landkreis Augsburg so zu verführen, dass sie ihm blind vertraut hat.

„Es hat einfach sofort gepasst“, sagt die Lehrerin vor Gericht. Eine Freundin hatte den Mann im Internet kennengele­rnt, bei ihr funkte es schon beim ersten Date. Und so gab die Frau dem Angeklagte­n nach wenigen Tagen ihren Wohnungssc­hlüssel. Und jede Menge Geld. 3000 Euro für eine Reise zur Formel 1 nach Abu Dhabi, 800 Euro für einen Thermenurl­aub in Italien und 40200 Euro für eine dubiose Geldanlage. Auf 100000 Euro sollte sich ihr Vermögen innerhalb eines Jahres verdoppeln, versprach ihr Traummann. Der 61-Jährige gab nämlich nicht nur vor, Lufthansa-Kapitän und Millionär zu sein, er sagte auch, sein Bruder kenne sich mit Geldan- lagen aus. Von ihrem Ersparten hat sie nie mehr etwas gesehen.

„Ich bin bis heute fassungslo­s, wie sich jemand so verstellen kann“, sagt die Betrogene vor Gericht. Sie erzählt von Telefonate­n mit der Lufthansa, mit der Bank, mit dem Bruder, die sie mitgehört hat. Von Nachrichte­n ihres Liebsten aus Chile und Südamerika. Er habe auch ein großes Fachwissen über Flugzeuge gehabt, sagt sie. Einmal habe er seinen Co-Piloten sogar ein detaillier­tes Protokoll einer Landung aufs Handy schreiben lassen – „damit ich einmal mitbekomme, wie er das macht“.

Wenige Monate später stellte sich dann heraus: Das war alles gelogen. Ihr Traummann ist gelernter Ma- bezieht seit Langem Hartz IV, hat 800 000 Euro Schulden und saß schon mehrere Jahre im Gefängnis. Die Reisen, für die ihm die 51-Jährige Geld gegeben hatte, fanden nie statt. Aus fadenschei­nigen Gründen: Das Hotel in Italien hatte einen Wasserrohr­bruch, der Flug nach Abu Dhabi kam nicht zustande, weil er seinen Job bei der Lufthansa gekündigt hatte, um künftig nur noch Flugzeuge für Diamantenh­ändler zu fliegen. So sagte er es ihr. Und sie glaubte ihm. „Ich hatte keine Zweifel“, sagt die alleinerzi­ehende Mutter. Sie hätten sogar nach einem gemeinsame­n Haus gesucht und vom Heiraten gesprochen.

Alles kam schließlic­h heraus, als ihre damals 13-jährige Tochter sich den Tablet-Computer des Angeklagte­n ansah. Das Mädchen entdeckte, dass der Freund ihrer Mutter auf Sexseiten im Internet unterwegs war. Die 51-Jährige forschte genauer nach, ging zu einer Anwältin, dann zur Kriminalpo­lizei. Zwei Polizistin­nen warfen den Mann im Februar schließlic­h aus ihrer Wohnung. Seit Mai sitzt er in Gablingen in Untersuchu­ngshaft. Und er wird so schnell nicht mehr in Freiheit kommen: Das Schöffenge­richt unter Vorsitz von Richter Ralf Hirmer verurteilt­e ihn zu einer Freiheitss­trafe von vier Jahren. Es ist nicht das erste Mal, dass er ins Gefängnis muss: Der Mann hat elf Vorstrafen und saß wegen Betrugs schon mehrschine­nschlosser, mals in Haft. Er gibt zu, dass er sich als Pilot ausgegeben hat. Doch das Geld sei weiterhin gut angelegt. Er habe es an einen Dritten weitergege­ben. Wer das ist, will er nicht sagen. „Sonst geht es mir sehr, sehr schlecht.“Das Gericht glaubt ihm nicht.

Die Frau hat laut Anklage den Großteil ihres Vermögens verloren: 44000 Euro. Doch nicht nur der finanziell­e Schaden sei schlimm, sondern vor allem der psychische, berichtet die Lehrerin. „Es wühlt mich noch bis heute auf“, sagt sie, und ihre bis dahin starke Stimme bricht, sie muss sich Tränen aus den Augen wischen. „Er hat doch immer gesagt: Ich bin sein Ein und Alles. Das ist so falsch, so skrupellos.“»Aufgefalle­n

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Archivfoto: ddp Ein Hochstaple­r als Pilot: Leonardo DiCaprio (Mitte) in „Catch Me if You Can“. Ähnliches hat auch ein Betrüger erzählt, der gestern vor Gericht stand.

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