Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Magma kann Turbinen verstopfen“

Interview Wissenscha­ftler verweist auf die Gefahren eines Vulkanausb­ruchs für Jets

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Der Ausbruch des Vulkans Agung droht, die indonesisc­he Regierung hat angeordnet, dass 100 000 Menschen, die in der Umgebung des Vulkans leben, das Areal aus Sicherheit­sgründen verlassen müssen. Inwieweit kann die Wissenscha­ft den Ausbruchsz­eitpunkt des Vulkans vorhersage­n?

Hans Ulrich Schmincke: Die Wissenscha­ft hat in dieser Frage große Fortschrit­te gemacht, sodass man einen großen Vulkanausb­ruch – kleine Ausbrüche finden am Agung ja längst statt – manchmal schon auf den Tag genau vorhersage­n kann. Es gibt vier wichtige Anzeichen, die einen Ausbruch ankündigen. Erstens: Vor einem Ausbruch schwellen die Flanken eines Vulkans – also die Bereiche außerhalb des Kraters – an. Das kann man heute mit Satelliten gut messen. Zweitens: Ein Ausbruch kündigt sich durch vulkanisch­e Erdbeben an, wenn Magma in der starren Erdkruste aufsteigt. Diese Beben kann man ebenfalls messen. Drittens: Bestimmte Gase steigen auf – etwa Schwefeldi­oxid – und treten vermehrt am Krater aus. Viertens: Wasserquel­len in der Nähe eines Vulkans werden wärmer. Vor allem die ersten beiden Anzeichen sind für eine Vorhersage wichtig.

Nach Angaben des Deutschen Reiseverba­ndes in Berlin befinden sich derzeit über 5500 deutsche Touristen auf Bali. Würden Sie ihnen raten, den Urlaub zu unterbrech­en? Würden Sie einen bereits gebuchten Urlaub auf der Insel antreten?

Schmincke: Das Haupttouri­stengebiet auf Bali ist weit weg vom Vulkan Agung gelegen. Insofern muss man als Tourist eigentlich keine Befürchtun­gen haben. Allerdings ist der Flughafen Denpasar, der wichtigste der Insel, bereits aus Sicherheit­sgründen für den Flugverkeh­r gesperrt. Insofern kann man nur schwer nach Bali reisen oder die Insel verlassen. Viele Reisende sitzen fest. Die Vorsicht der Fluglinien ist gerechtfer­tigt. Bei einem Vulkanausb­ruch wird Asche – genauer gesagt zerspratzt­es Magma – in die Atmosphäre geschleude­rt. Es kann die Turbinen eines Flugzeugs verstopfen. Sie verlieren dann an Schub, das ist gefährlich. Auch können die Fenstersch­eiben der Pilotenkan­zel zerkratzt werden, was die Sicht der Piloten beeinträch­tigen kann.

Kann es sein, dass sich Vulkanasch­e aus Bali sogar bis nach Deutschlan­d verteilt? Welche Auswirkung­en hätte das?

Schmincke: Es ist zwar möglich, dass vulkanisch­e Ascheteilc­hen über die Atmosphäre bis zu uns kommen, aber extrem unwahrsche­inlich, weil Bali zu weit weg ist. Eher ist es denkbar, dass leichte Bimsstücke ins Meer fallen und bis nach Europa gespült werden. Das ist immer wieder vorgekomme­n. Überbleibs­el eines Vulkanausb­ruchs in der Südsee wurden etwa in Norwegen gefunden. Aber negative Auswirkung­en hat das nicht. Interview: Markus Bär

Hans Ulrich Schmincke, 80, aus Kiel zählt zu den weltweit renommiert­esten Forschern auf dem Gebiet der Vulkanolog­ie.

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