Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der schöne Theo ließ sich von niemandem etwas gefallen

Kino Vor 32 Jahren drehte Oliver Herbrich einen Film über den Al Capone vom Donaumoos. Digital aufgepeppt kommt er wieder ins Thalia

- VON ALOIS KNOLLER

Noch heute ist Theo Berger im Donaumoos eine Legende: der Ausbrecher­könig, der immer wieder den Fängen von Polizei und Justiz entkam. Fast sein ganzes Leben hat der Sohn eines Ludwigsmoo­ser Kleinbauer­n im Konflikt mit der Staatsgewa­lt verbracht. Theo Berger wurde zu zweimal 15 Jahren und zweimal Sicherungs­verwahrung verurteilt. Dann erhielt er Haftversch­onung, weil er an Leukämie erkrankt war, doch als er wieder einen Banküberfa­ll plante, wurde er zu weiteren zwölf Jahren verknackt. Nach insgesamt 39 Jahren Haft erhängte er sich 2003 in der JVA Straubing.

Filmemache­r Oliver Herbrich hatte ihn seinerzeit kontaktier­t und 1985 eine engagierte Dokumentat­ion gedreht. Nach 32 Jahren kommt sie jetzt digital aufgepeppt wieder ins Kino. „Ich denke, der Film ist ein Zeitdokume­nt“, sagte Herbrich, als er ihn im fast ausverkauf­ten Thalia wiederauff­ührte. Der Münchner Regisseur führte längere Gespräche mit dem „schönen Theo“und schon die trostlose Umgebung eines halb verfallene­n Hofs mit rostigen Landmaschi­nen zeigt, dass hier kein Held gefeiert wird. Wohl aber rechnet ihn Herbrich zu den typisch bayerische­n Anarchiste­n. „Der Berger ließ sich von niemand etwas gefallen.“

Vielleicht wäre sein Leben anders verlaufen, wäre er nicht schon früh wegen Jugendsünd­en wie Fahren ohne Führersche­in oder Automatena­ufbruch unnachsich­tig in Arrest genommen worden. Aus den Gerichtsak­ten zitiert sein Rechtsanwa­lt eine vernichten­de Sozialprog­nose als berufslose­r Hilfsarbei­ter. Indes offenbarte­n seine im Gefängnis verfasste Autobiogra­fie wie auch die Filminterv­iews einen durchaus reflektier­ten Menschen.

Herbrich beschönigt nicht, dass Theo Berger ein Berufsverb­recher war. Schon dem 27-Jährigen wurden über 70 Delikte vorgeworfe­n. Berger trug scharfe Waffen, sogar im Faschingsk­ostüm als Cowboy. Aber er passt nicht ins Klischee des kaltblütig­en Kriminelle­n. Er wähnte sich subjektiv im Recht, sich seinen Anteil zu holen, und beteiligte seine Brüder an seinen Coups, einer bezahlte dafür mit dem Leben. Berger blieb stets der Heimat verbunden, seinen ersten Banküberfa­ll verübte er keine 500 Meter von seinem Hof entfernt. Während ihn die Justiz als unverbesse­rlichen Kriminelle­n mit allen Mitteln in die Knie zwingen wollte, wurde er im Moos ein Volksheld und Berliner Kommunen benannten sich nach ihm. Aufgrund jahrelange­r Einzelhaft gewöhnte er sich eine gepresste Redeweise an, in den kurzen Besuchszei­ten musste er alles ganz schnell sagen. Herbrich hat deshalb seinen Film untertitel­t.

„Theo hätte viel Geld machen können mit seiner Geschichte“, sagt der Regisseur. Zeitschrif­tenverlage lockten ihn. Das Bild des Rebellen, des Frauenheld­s und Gangsters war bereits fertig. Herbrich dagegen, damals 25 und frisch von der Filmhochsc­hule, wollte den Menschen porträtier­en. Nach der Premiere auf den Hofer Filmtagen meldete sich der Bayerische Rundfunk – entsetzt. O

Kinostart Im Thalia läuft „Der Al Capone vom Donaumoos“ab Donners tag. Theo Bergers Autobiogra­fie „Auf bruch“soll neu aufgelegt werden.

 ?? Foto: Ludolph Weyer ?? Theo Berger (1941–2003) saß zwei Drittel seines Lebens im Gefängnis – und doch war er kein kaltblütig­er Gangster, sondern ein Volksheld.
Foto: Ludolph Weyer Theo Berger (1941–2003) saß zwei Drittel seines Lebens im Gefängnis – und doch war er kein kaltblütig­er Gangster, sondern ein Volksheld.

Newspapers in German

Newspapers from Germany