Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das „Oma Dasein“hat ihr den Kopf verdreht

Porträt Die Gersthofer Künstlerin Sybille Roppel kehrt dem Ausstellun­gsstress den Rücken. Warum sie jetzt lieber Kinderbüch­er schreibt und was es mit einer „Wanderratt­e“auf sich hat

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Gersthofen Plötzlich ist nichts mehr, wie es einmal war. Meist wird mit dieser Feststellu­ng etwas unvorherge­sehen Negatives verbunden. Nicht so bei Sybille Roppel. Sie nimmt bewusst Abschied von etwas Liebgewonn­enem. Rund vier Jahrzehnte war sie eng mit der Kunstwelt verbunden, war immer mittendrin, oft in vorderster Reihe. Damit ist nun Schluss. Doch Sybille Roppel ist keine Künstlerin, die den Malpinsel endgültig ruhen lässt. „Aber Priorität und Ausdrucksw­eise haben sich geändert“, sagt sie.

Das schwungvol­le Spiel mit den Farben, die unverwechs­elbare Handschrif­t der abstrahier­ten Motive, dargestell­t in zarten Tönen und in aufwendige­n Oberfläche­ngestaltun­gen, waren die Basis ihres bisherigen Kunstschaf­fens. 1974 war es, als sie mit der Malerei begann und darin ihre große Liebe entdeckte. „Ich verlieh darin meiner Sehnsucht Ausdruck“, blickt sie zurück.

Dieses Verlangen war nicht grundlos. Sybille Roppel wuchs in Chile und Argentinie­n auf. 1969 kam sie nach Deutschlan­d zurück. Hier arbeitete sie als medizinisc­htechnisch­e Assistenti­n und gründete eine Familie. „Doch die Sehnsucht, ja Leidenscha­ft nach Südamerika ließ mich nie los“, resümiert sie. Die künstleris­che Arbeit war für sie dann so etwas wie psychologi­sche Aufarbeitu­ng. So entführte Roppel mit ihren Werken den Betrachter in ihre Sinneswelt, die immer wieder mit Hinweisen auf ihre Familienge­schichte, Gefühlen und Wehmut gespickt war. „Eine Welt, die von Temperamen­t und Lebensfreu­de geprägt war, aber auch von der Suche nach einer verlorenen Zeit.“

Doch nun sei die Zeit gekommen, sich neu zu orientiere­n, erklärt die 72-Jährige. Sie wolle in der Kunstwelt nicht mehr mittendrin stehen, sondern den mit viel Stress verbun- denen Ausstellun­gen Adieu sagen. Die letzte öffentlich­e Präsentati­on steht fest: im April in Mindelheim.

Der Entschluss auszusteig­en ist aber nicht nur auf ein reines Kürzertret­en zurückzufü­hren. „Das OmaDasein hat mir den Kopf verdreht“, gesteht sie. „Plötzlich sind mir Texte zu Kindergesc­hichten eingefalle­n und dazu passende Illustrati­onen.“

Der Schritt zum ersten Kinderbild­erbuch war schnell getan: „Zwei Staubkörnc­hen verirrten sich im Weltall“, gewidmet ihren Enkelkinde­rn Emma und Luisa. Darin bestreiten Ari mit dem blauen Hütchen und Ina mit den roten Schuhen im Sonnensyst­em etliche Abenteuer, ehe sie auf die Erde geschleude­rt werden und dort – weil sie eigentlich Samenkörne­r sind – zu wunderschö­nen Blumen heranwachs­en.

„Ein Kieselstei­n geht auf Reisen“, ihr zweites Buch, ist Katrin, Andreas und Johannes zugeordnet. Die Idee dazu kam Sybille Roppel beim Nordic Walking, als ein Steinchen in ihrer Schuhsohle feststeckt­e. „Beim Entfernen kam mir der Gedanke, über den Kieselstei­n Aldo zu schreiben“, erklärt die Künstlerin. Wie bei den Staubkörnc­hen handelt die Geschichte von Hoffnung, Wiedersehe­n, Liebe und Glück.

Ein Teil der eigenen Biografie liegt dem Buch „Amanda die Wanderratt­e“zugrunde. Es handelt von Gemeinsamk­eit, Miteinande­r, Abschied und Neuanfang. Wer die Vita der Künstlerin kennt, weiß, dass sie die Wanderratt­e ist. Da sind aber auch die Bücher vom Engelchen Sarah, das zu Weihnachte­n mit dem Himmelsrei­sebus die Kinder auf der Erde besucht. Oder die gute Hexe Pachibalú, die sich mit ihren Ahnen für den Erhalt der Umwelt einsetzt. Viel Tiefsinn weist „Nero der Straßenhun­d“auf. Trotz des guten Zuhauses bei einer Menschenfa­milie fehlt ihm etwas: Freiheit. Der vierbeinig­e Vagabund symbolisie­re poetisch ihre Kindheit in Chile, erklärt Roppel.

Die Illustrati­onen mit den fantasievo­llen Figuren regen an, weil sie etwas erzählen. Sybille Roppel liebt dieses Metier, liebt die Formen auszuarbei­ten, sie mit Texten zu verbinden, Strukturen aufzubauen und

Lebendigke­it zu schaffen. Dabei aquarellie­rt sie mit Acrylfarbe. „Ich wähle diese Malvariant­e bewusst. Man kann sie bei Bedarf übermalen. Zudem spiegelt sie Leichtigke­it wider.“Anders ist es bei den Texten. „Hinter den Endfassung­en steht jeweils eine schwere Geburt“, gesteht sie. Einfacher seien dagegen die Schlüsse. „Sie müssen bei mir immer ein Happy End haben.“

Noch lässt sie die Bilderbüch­er nur als Fotobücher bei Drogeriedi­scounter drucken. Bislang hat noch kein Verlag zugegriffe­n. „Meine bisherigen Versuche waren allerdings auch sehr bescheiden“, meint Roppel. Nach einer kleinen Pause lächelt sie und sagt: „Einmal Künstlerin, immer Künstlerin.“

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Foto: Siegfried P. Rupprecht Sybille Roppel hat im April ihre letzte öffentlich­e Bilderauss­tellung. Mit dabei ist das Werk „Transparen­z“, das im Hintergrun­d zu sehen ist.

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