Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Meisterwer­k aus Westendorf

Instrument Eine Westendorf­er Werkstätte baut die neue Orgel für die Kirche in Wiesenthei­d. Warum Orgelbauer Georg Weishaupt dabei schlaflose Nächte hat

- VON PETER HEIDER

Westendorf Den Ort Wiesenthei­d nahe Würzburg kennen die meisten hier nur aus den Staumeldun­gen im Radio. Dass dort eine der schönsten Barockkirc­hen Süddeutsch­lands steht, wissen nur wenige. Diese wertvolle Kirche wurde in den Jahren 1727 bis 1732 nach den Plänen des bekannten Baumeister­s Balthasar Neumann errichtet. Die letzte Renovierun­g der Kirche wurde vor 120 Jahren durchgefüh­rt. Dementspre­chend präsentier­te sich das Gotteshaus zuletzt als dunkle, staubige Halle. Jetzt, nach viereinhal­bjähriger Sanierung, kommt vor allem die illusionis­tische Deckenmale­rei von Giovanni Francesco Marchini (1771-1745) wieder voll zur Geltung. Das historisch­e Orgelgehäu­se mit barocken Profilen und geschnitzt­en Dekoren ist ein weiterer Glanzpunkt in der St.-MauritiusK­irche. Mit dem Auftrag, in dieses ehrwürdige Orgelgehäu­se wieder ein Instrument einzubauen, wurde die Meisterwer­kstätte für Orgelbau von Georg Weishaupt aus Westendorf beauftragt. Die Kosten für Orgelherst­ellung samt Restaurier­ung beliefen sich auf etwa eine halbe Million Euro.

Bereits im April 2014 wurde die Vorgänger-Orgel aus den 70er-Jahren ausgebaut und die wieder verwendbar­en historisch­en Pfeifen eingelager­t. Nach Besprechun­gen mit dem Amt für Denkmalpfl­ege und der Bauleitung wurde beschlosse­n, dass das wertvolle Orgelgehäu­se nicht abgebaut werden darf. Somit mussten alle Arbeiten am und im Gehäuse im Kirchenrau­m ausgeführt werden, was Orgelbauer Weishaupt und seinen Mitarbeite­rn erhebliche Mehrarbeit­en einbrachte.

Eine weitere Schwierigk­eit, die ihm einige schlaflose Nächte bereitet hat, sei die statische Befestigun­g und Aussteifun­g des historisch­en Orgelgehäu­ses gewesen, erzählt der Orgelbaume­ister im Rückblick. Die Zug- und Schublaste­n wurden bisher mittels einer wuchtigen Stahlkonst­ruktion abgefangen. Doch weil die neue Orgel mit ihren 34 Registern und zwei Manualen den verfügbare­n Platz dringend benötigte, musste die Stahlkonst­ruktion ausgebaut und durch eine integriert­e Holzkonstr­uktion ersetzt werden. Dabei bestand die Gefahr, dass zwischen Ausbau der alten und Einbau der neuen Konstrukti­on das alte Gehäuse nach vorne abkippt und in die Kirche stürzt. Dies sei durch eine spezielle Gerüstkons­truktion und umsichtige­s Arbeiten verhindert worden.

Die Konzeption der neuen Orgel wurde in zwei Ebenen ausgeführt. Im alten, vorhandene­n Gehäuse wurde das Hauptwerk (I. Manual) eingebaut. Im hinteren Teil befindet sich das Pedalwerk (unten) und im oberen Bereich das Schwellwer­k (II. Manual). Die Windversor­gung mit einem großen Schleuderg­ebläse und zwei Blasbälgen wurde in einem separaten Raum hinter der Orgel montiert.

Die Spieltrakt­uren – Verbindung­en zwischen Taste und Ventil – wurden mechanisch in Holzbauwei­se angefertig­t. Die Registertr­aktur, die Verbindung zwischen Registerzu­g und Windlade, wurde – dem geringen Platzangeb­ot geschuldet – mit Elektromag­neten ausgeführt. Die Orgel erhielt zudem eine elektronis­che Setzeranla­ge mit bis zu 4000 Kombinatio­nen. Diese Einrichtun­g erlaubt dem Organisten ein schnelles Wechseln der Register und Klangfarbe­n.

Der neue Spieltisch im Unterbau des historisch­en Gehäuses wurde in Nussbaumho­lz ausgeführt und dem alten Gehäuse stilistisc­h angepasst. Rund 2000 Pfeifen wurden in die Orgel eingebaut und geben diesem Instrument seinen wunderbare­n Klang. „Die größte Pfeife der Orgel ist 4,80 Meter, die kleinste acht Millimeter lang. Sie werden alle, was ihre Lautstärke und den exakten Ton betrifft, einzeln getestet und eingestell­t, und dazu brauchen die Orgelbauer möglichst Ruhe“, erläutert Weishaupt. „Intonieren ist viel mehr als nur Stimmen. Das ist der Klang der Orgel.“Für diese Arbeiten musste im September für fünf Wochen in der Kirche Ruhe herrschen. Nur die zwei Intonateur­e der Firma Weishaupt durften in dieser Zeit dort arbeiten. „Dies war für den Architekte­n problemati­sch, da der Fertigstel­lungstermi­n der Gesamtrest­auration kurz bevorstand“, schildert der Orgelbaume­ister.

Letztlich konnten jedoch alle Arbeiten durch gemeinsame und gute Zusammenar­beit planmäßig ausgeführt werden, berichtet Georg Weishaupt. Dieses Instrument sei bis dato das „Opus Maximum“, die größte Orgel, aus der Orgelbauwe­rkstätte Weishaupt. Die neue „Weishaupt-Orgel“hatte am Tag der Wiedereröf­fnung der Kirche, am 21. Oktober, ihre Bewährungs­probe und begeistert seitdem mit ihrer Klangvielf­alt und Raumfülle. »

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Foto: Wolfgang Rößner Ein Blickfang für Kirchenbes­ucher in der Wiesenthei­der St. Mauritius Barockkirc­he ist die neue Orgel, die in der Westendorf­er Meisterwer­kstatt von Georg Weishaupt gebaut wurde.
 ?? Foto: Peter Heider ?? Das Team der Westendorf­er Meisterwer­kstätte für Orgelbau mit Benjamin Linden mayr, Andreas Kiss, Chef Georg Weishaupt, Azubi Simon Herzog und Wolfgang Koch (von links) ist stolz, dass es für die Barockkirc­he in Wiesenthei­d eine neue Orgel bau en durfte.
Foto: Peter Heider Das Team der Westendorf­er Meisterwer­kstätte für Orgelbau mit Benjamin Linden mayr, Andreas Kiss, Chef Georg Weishaupt, Azubi Simon Herzog und Wolfgang Koch (von links) ist stolz, dass es für die Barockkirc­he in Wiesenthei­d eine neue Orgel bau en durfte.

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