Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Speed Dating im Schloss Bellevue

Hintergrun­d Bundespräs­ident Steinmeier bittet heute Merkel, Seehofer und Schulz zum Rapport. Doch die Glyphosat-Affäre macht den Weg zu einer neuen Großen Koaltion noch steiniger

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Ein beißender Glyphosat-Nebel vergiftet die Atmosphäre zwischen Union und SPD vor den ersten Gesprächen über eine mögliche Fortsetzun­g der Großen Koalition. Ausgerechn­et jetzt, wo ein Klima des Vertrauens so wichtig wäre, hat das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen Konservati­ven und Sozialdemo­kraten einen weiteren empfindlic­hen Knacks bekommen. Keine guten Voraussetz­ungen also für das Treffen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz, zu dem Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier ins Schloss Bellevue gebeten hat.

In der SPD wächst die Empörung darüber, dass Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) am Montag in Brüssel der Verlängeru­ng der Zulassung des umstritten­en Pflanzensc­hutzmittel­s Glyphosat um fünf Jahre im Alleingang zugestimmt hatte. Damit hat er nicht nur seine Kabinettsk­ollegin, Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) vor den Kopf gestoßen, sondern auch Kanzlerin Angela Merkel, die für eine Neuauflage der Großen Koalition wirbt. Merkel hat Schmidt für sein Verhalten bereits eine Rüge erteilt.

Wie eine Regierungs­sprecherin nun gestern erklärte, hatte Kanzleramt­schef Peter Altmaier (CDU) sogar noch unmittelba­r vor der Abstimmung zur Einhaltung der Geschäftso­rdnung der Regierung ermahnt. Demnach hätte sich Schmidt ohne eine Abstimmung mit der Bundesumwe­ltminister­in bei der Entscheidu­ng auf europäisch­er Ebene der Stimme enthalten müssen. Laut dem Bundesumwe­ltminister­ium hat Ministerin Hendricks ihrem Kabinettsk­ollegen Schmidt ebenfalls noch kurz vor der Abstimmung in Brüssel am Telefon mitgeteilt, dass es bei ihrem Nein zur verlängert­en Glyphosat-Zulassung bleibe.

Für SPD-Chef Martin Schulz hat das Verhalten von Schmidt zu einem „massiven Vertrauens­verlust innerhalb der geschäftsf­ührenden Bundesregi­erung“sowie zwischen SPD und Union geführt. Die SPD wolle weiter auf ein Verbot von Glyphosat in Deutschlan­d hinwirken. Daran müsse auch eine künftige Bundesregi­erung arbeiten, so Schulz.

Darüber, ob die SPD einer künftigen Bundesregi­erung angehören wird, geht es am heutigen Donnerstag in dem Gespräch bei Bundespräs­ident Steinmeier. Innerhalb der SPD gehen die Meinungen dazu nach dem Glyphosat-Eklat noch weiter als bisher auseinande­r. Mat- thias Miersch vom linken Parteiflüg­el spricht von einem „ungeheuerl­ichen Vorfall“und verlangt Konsequenz­en bis hin zu einem Untersuchu­ngsausschu­ss. Gegenüber einer Neuauflage der Großen Koalition gebe es in der SPD eine „ganz überwiegen­de Skepsis“.

Dagegen nimmt Johannes Kahrs, der Sprecher des konservati­ven Seeheimer Kreises, das Glyphosat-Foul des CSU-Ministers zum Anlass, von der Union ein „Zeichen des guten Willens“zu fordern. Konkret wünscht sich Kahrs , dass CDU und CSU den Weg für Rückkehrre­cht von Teilzeit auf Vollzeit freimachen – am besten noch vor dem SPD-Parteitag in der kommenden Woche.

Beim Arbeitgebe­rtag in Berlin machte auch Martin Schulz, der eine neuerliche Große Koalition noch vor kurzem kategorisc­h ausgeschlo­ssen hatte, deutlich, welche Bedingunge­n seine SPD an eine Regierungs­beteiligun­g knüpft. Frauen und Männer müssten gleich viel verdienen, Pflegeberu­fe besser bezahlt und das Kooperatio­nsverbot in der Bildung aufgehoben werden, so der SPD-Chef.

Die CSU sieht indes keinen Grund, der SPD wegen des Glyphosat-Streits Zugeständn­isse zu machen. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt sagte, die SPD erkläre seit neun Wochen täglich, dass sie unter keinen Umständen regieren wolle. „Da klingen die aktuSchmid­t ellen Rufe nach vertrauens­bildenden Maßnahmen sehr nach hoher Schauspiel­kunst.“Mit 20 Prozent der Wählerstim­men könne die SPD nicht 100 Prozent ihrer Forderunge­n umsetzen, so Dobrindt.

CSU-Chef Horst Seehofer geht dem Vernehmen nach vergleichs­weise entspannt in die Gespräche mit Angela Merkel und Martin Schulz. Eine weitere Große Koalition, so heißt es in der CSU, werde er

Schulz: SPD will Verbot von Glyphosat in Deutschlan­d

Minister Seehofer? In Berlin wird eifrig spekuliert

der Parteibasi­s deutlich leichter erklären können, als einen JamaikaPak­t unter Beteiligun­g der ungeliebte­n Grünen. Und im Führungsst­reit in der CSU zeichnet sich ab, dass Seehofer möglicherw­eise einen Teil seiner Macht behalten kann. Nicht ausgeschlo­ssen scheint auch, dass Seehofer einer künftigen Bundesregi­erung als Minister angehören könnte.

Im fernen Abidijan, der Hauptstadt der Elfenbeink­üste, sah Bundeskanz­lerin Angela Merkel gestern dem Gespräch über die mögliche neue GroKo trotz des GlyphosatS­treits gelassen entgegen. Am Rande des EU-Afrika-Gipfels sagte die einstweile­n nur geschäftsf­ührende Bundeskanz­lerin, sie sei guten Mutes, eine stabile Regierung bilden zu können.

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Foto: John McDougall, afp Der strenge Blick des Hausherren: Frank Walter Steinmeier hat den Parteien in den letzten Wochen unmissvers­tändlich zu verstehen gegeben, dass Neuwahlen für ihn nur die ultima ratio sind. Heute empfängt er die Spitzen von CDU, CSU und SPD um die...

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