Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Weshalb wir Vanillekip­ferl und Spitzbuben essen

Tradition In Klöstern wurde schon früh süßes Gebäck hergestell­t. In private Haushalte schaffte es die Tradition erst spät – aus vielen Gründen

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Zimtsterne, Vanillekip­ferl, Spitzbuben: Plätzchen gehören zu Weihnachte­n wie der Tannenbaum und Geschenke. Das war jedoch nicht immer so: Viele Traditione­n rund um Advent und Heilig Abend entwickelt­en sich erst im 19. Jahrhunder­t, zur Zeit des Biedermeie­r: „In dieser Zeit wandelten sich die Familienst­rukturen. Das Familienid­yll wurde modern, die Hausfrau übernahm die Rolle, Gemütlichk­eit herzustell­en, für die Familie zu kochen und zu backen“, sagt Volkskundl­er Roman Tischberge­r.

Zwar hatte es zu Festtagen in Deutschlan­d schon früher Süßspeisen gegeben. Sie wurden aber vor allem im klösterlic­hen Umfeld gebacken. Gewürzbrot­e und Bildgebäck­e, sagt Tischberge­r, waren dort längst verbreitet. Dass das Backen schließlic­h auch im privaten Bereich Thema wurde, sei aber nicht nur dem gesellscha­ftlichen Wandel geschuldet. „Im 19. Jahrhunder­t wurden auch die Zutaten erschwingl­ich: Der günstige Rübenzucke­r löste zum Beispiel den teuren Rohrzucker ab.“Damit konnten sich auch weniger gut situierte Familien das Backen leisten.

Tischberge­r ist wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r der Philologis­ch-Historisch­en Fakultät an der Uni Augsburg. Er weiß, dass der Advent einst nicht viel mit der heutigen Zeit zu tun hatte: „Bis Anfang des 20. Jahrhunder­ts war der Advent die zweite große Fastenzeit nach Ostern.“Nichts also mit Zuckerbäck­erei, Lebkuchen und heißem, süßem Wein. Die Säkularisi­erung trug jedoch dazu bei, dass religiöse Traditione­n langsam in den Hintergrun­d traten.

Schon Ende des 18. Jahrhunder­ts werden in Kochbücher­n „Zuckerplät­zchen“erwähnt. Reine Backbücher gab es damals laut Tischberge­r kaum. „Die Rezeptsamm­lungen deckten Alltags- und Festspeise­n ab. Backwaren und Mehlspeise­n fanden sich in allen Büchern, wobei Mehlspeise­n eher Spätzle waren und bei den Backwaren handelte es sich um Kuchen und Torten.“Viele Rezepte wurden zudem mündlich von den Müttern an ihre Töchter überliefer­t.

Warum im Advent vor allem kleine süße Bäckereien beliebt sind, hängt laut Tischberge­r wohl mit ihrer Einfachhei­t zusammen: „Mehl, Butter, Zucker, vielleicht ein Ei – mehr Zutaten braucht man nicht.“Gut möglich also, dass sich Plätzchen etablierte­n, weil sie einfach herzustell­en waren. „Niemand brauchte dazu ein großes Expertenwi­ssen.“

Heutzutage zelebriere­n viele Familien das gemeinsame Backen im Advent. Sie probieren neue Rezepte aus – oder sie machen es, wie es seit Jahrhunder­ten Brauch ist, und geben Rezepte von Generation zu Generation weiter. Eine leckere Sammlung weihnachtl­icher Rezepte ist mit der aktuellen Ausgabe des Magazins „Zuckerguss“zu haben. 60 Rezepte von Lesern der Augsburger Allgemeine­n und ihrer Heimatzeit­ungen sind auf knapp 70 Seiten zusammenge­fasst. Eine Fach-Jury rund um Gerhard Schenk, den Präsidente­n des Deutschen Konditoren­bundes, hat sie aus 300 Einsendung­en ausgewählt.

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Rezepte Das Magazin „Zuckerguss“mit 60 Rezepten für himmlische Back ideen ist im Online Shop der Augsburger Allgemeine­n sowie in Buchhandlu­ngen wie Thalia, Pustet und Hugendubel zu ha ben. Es kostet 5,95 Euro.

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Dieses Rezept für Heidelbeer Mandel Busserl hat SPD Fraktionsc­hefin Marga rete Heinrich selbst kreiert.
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Roman Tischberge­r

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