Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ließ ein Mann eine Freundin einfach sterben?

Justiz Ein 57-Jähriger soll eine Frau brutal vergewalti­gt haben. Sie verblutete. Gerichtsvo­llzieherin und Polizei entdeckten das Opfer bei einer Zwangsräum­ung. Ab heute muss sich der Mann vor Gericht verantwort­en

- VON JAN KANDZORA

Es sollte eine Zwangsräum­ung werden. Dass sie unangenehm werden könnte, hatte die Gerichtsvo­llzieherin offenbar schon befürchtet, daher waren Polizisten bei dem Termin im Februar dabei. Die Szene, die sie in dem Ein-Zimmer-Apartment in einem Mietshaus in der Jakobervor­stadt vorfanden, war dann jedoch weit mehr als nur unangenehm.

Die Wohnung war nach Informatio­nen unserer Redaktion vollkommen verwahrlos­t und zugemüllt, im Apartment lagen diverse blutversch­mierte Lappen und Tücher. Auf einer Matratze in der Wohnung lag die Leiche einer Frau. Sie war verblutet. Die 46-Jährige war, davon gehen die Ermittler aus, zuvor vergewalti­gt worden. Mutmaßlich­er Täter: der Mieter der Wohnung, der Gerichtsvo­llzieherin und Polizisten am Vormittag des 15. Februar die Tür öffnete. Ein 57-jähriger Mann, der zu der Frau regelmäßig­en Kontakt gepflegt hatte. Sie soll eine Freundin von ihm gewesen sein. Er soll die Frau in der Nacht mit mehreren Gegenständ­en vergewalti­gt und sie dabei schwer verletzt haben. Der Täter muss mit großer Intensität vorgegange­n sein, wie eine Obduktion der Leiche ergab.

Die Frau starb nicht sofort in der Nacht auf den 15. Februar, sondern offenbar erst nach mehreren Stunden. Sie hätte vielleicht noch gerettet werden können. Doch der 57-Jährige soll keine Hilfe gerufen haben, obwohl er, davon gehen die Ermittler aus, angesichts des vielen Blutes hätte ahnen können, wie gravierend die Verletzung­en der Frau waren. Seit Februar sitzt der Mann in Untersuchu­ngshaft, am heutigen Donnerstag muss sich der 57-Jährige vor der Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­ts verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm Vergewalti­gung mit Todesfolge vor, darauf stehen laut Strafgeset­zbuch mindestes zehn Jahre Haft.

Angesetzt sind Verhandlun­gstage bis Mitte Dezember. Sein Mandant werde voraussich­tlich aussagen, sagt Verteidige­r Marco Müller. Auch gegenüber der Polizei hatte der 57-Jährige Angaben gemacht. Der Mann sagte zunächst, er habe morgens gegen 7.30 Uhr noch mit der Freundin gesprochen. Ihr sei kalt gewesen, deshalb habe er der nackten Frau ihre Kleidung angezogen. Danach habe er sich wieder schlafen gelegt. Er habe nicht gemerkt, dass sie gestorben ist. Verteidige­r Marco Müller sagt, sein Mandant bestreite jedenfalls, dass er den Tod der Freundin bewusst in Kauf genommen habe. Die Frau, eine gebürtige Kenianerin, hinterließ zwei Kinder, ein Sohn tritt im Prozess als Nebenkläge­r auf und wird von der Anwältin Marion Zech vertreten.

Eine Frage dürfte im Prozess sein, ob der Angeklagte voll schuldfähi­g ist oder nicht. Er stand unter amtlicher Betreuung und soll, wie das Opfer auch, der Polizei seit Jahren als Trinker bekannt gewesen sein. Bei seiner Festnahme hatte er noch 1,6 Promille Alkohol im Blut. Nach Informatio­nen unserer Redaktion gibt es auch Hinweise, dass der Mann womöglich an einer psychische­n Störung leiden könnte. Sollte das Gericht von einer vermindert­en Schuldfähi­gkeit ausgehen, könnte die Strafe im Falle einer Verurteilu­ng auch unter zehn Jahren liegen. Auch eine Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s wäre dann möglich.

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