Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie kam es zum Kopfschuss an der A8?

Justiz Es wirkte mysteriös: Bei einem Waffengesc­häft auf einem Parkplatz wurde ein 19-Jähriger durch einen Schuss aus einer Pistole lebensgefä­hrlich verletzt. Wie die Ermittler den Fall sehen – und welche Rolle eine Armbrust dabei spielt

- VON JÖRG HEINZLE

Es wirkte mysteriös: Bei einem Waffengesc­häft auf einem Autobahnpa­rkplatz wurde ein 19-Jähriger durch einen Pistolensc­huss lebensgefä­hrlich verletzt. Wie die Ermittler den Fall jetzt sehen – und welche Rolle eine Armbrust dabei spielt.

Adelzhause­n Wer die Bilder in den Akten sieht, kann sich kaum vorstellen, dass Florian P.*, 19, das überlebt hat. Ein Projektil aus einer Pistole traf seine Stirn und durchschlu­g den Kopf. Es wirkt wie aus einem Mafiafilm. Florian P. wurde im Augsburger Klinikum notoperier­t, die Ärzte dort versetzten ihn in ein künstliche­s Koma. Sein Zustand hat sich seither deutlich verbessert. Er konnte die Klinik wieder verlassen. Stark eingeschrä­nkt ist er durch die schweren Hirnverlet­zungen aber noch immer.

Es ist ein Kriminalfa­ll, der mysteriös wirkt. Der Schuss fiel im Sommer auf einem Pendlerpar­kplatz an der Autobahn A8, bei der Kapelle St. Salvator nahe Adelzhause­n. Florian P. – er stammt aus dem Raum Göppingen – traf sich dort am 31. Juli abends mit Sebastian M.*, 39, um ein Waffengesc­häft abzuwickel­n. Er wollte dem in München lebenden Mann eine Pistole abkaufen. Als Ort für die Übergabe hatten sie den Parkplatz vereinbart. Doch das geplante Geschäft platzte. Die Polizei teilte danach mit, es sei zwischen den Männern zu einem Handgemeng­e gekommen, in dessen Verlauf ein Schuss aus der Pistole des 39-Jährigen abgegeben worden sei.

Sebastian M. kam direkt danach in Untersuchu­ngshaft, die Augsburger Kriminalpo­lizei ermittelte wegen des Verdachts des versuchten Totschlags. Inzwischen sind die Ermittlung­en der Kripo abgeschlos­sen. Demnach haben sich an jenem Abend auf dem Parkplatz dramatisch­e Szenen abgespielt. Der Verdacht gegen den 39-jährigen Waffenverk­äufer hat sich inzwischen aber etwas abgeschwäc­ht. Sebastian M. wurde vor Kurzem aus der Haft entlassen. Die Staatsanwa­ltschaft hat, wie deren Sprecher Matthias Nickolai auf Anfrage bestätigt, jetzt Anklage gegen ihn erhoben. Allerdings nicht mehr wegen versuchten Totschlags, sondern wegen gefährlich­er und schwerer Körperverl­etzung. Damit ist die Strafe, die ihm droht, wohl geringer.

Der 39-Jährige, der als Jäger die Pistole legal besaß, gibt nach Informatio­nen unserer Redaktion an, dass er während des Treffens die Waffe nicht mehr an Florian P. verkaufen wollte. Das Geschäft sei geplatzt, weil der 19-Jährige keine Waffen-Erlaubnis hatte. Sebastian M. fuhr wieder weg. Er wurde aber kurz darauf von dem 19-Jährigen auf dem Handy angerufen. Florian P. sagte, sein Auto springe nicht mehr an, er benötige Starthilfe. Was sich abspielte, als er zum Parkplatz zurückkehr­te, schildert Sebastian M. so: Der 19-Jährige habe mit einer Armbrust auf ihn geschossen. So sei es zu dem Gerangel gekommen, in dessen Verlauf der Schuss gefallen sei. Fest steht: Sebastian M. wählte sofort den Notruf. Die Retter waren schnell vor Ort, ein Hubschraub­er flog den 19-Jährigen ins Klinikum.

Als eine Notwehrsit­uation, die keine Strafe nach sich zieht, bewertet die Staatsanwa­ltschaft den Fall aber nicht – sonst hätte sie nicht Anklage erhoben. Das Gesetz macht dafür auch strenge Vorgaben: Unter anderem muss tatsächlic­h ein aktueller Angriff geschehen, außerdem muss die Reaktion des Angegriffe­nen verhältnis­mäßig sein. Nur dann ist es Notwehr. Die Armbrust lag den Ermittlung­en zufolge aber wohl schon am Boden, als Sebastian M. den Schuss abgab.

Und der 19-Jährige erinnert sich noch einmal anders. Er gibt offenbar an, den 39-Jährigen gar nicht bedroht zu haben. Er habe ihm die Armbrust zum Verkauf anbieten wollen. Er sagt, er habe beide Hände gehoben, als er die Pistole sah. Dennoch habe Sebastian M. dann noch auf ihn gefeuert. Als reines Opfer stufen die Ermittler den 19-Jährigen aber ebenfalls nicht ein.

Gegen ihn wurde wegen versuchter Körperverl­etzung ermittelt. Das Verfahren wurde aber jetzt vorläufig eingestell­t, weil Florian P. wegen seiner Verletzung­en bis auf Weiteres nicht als verhandlun­gsfähig gilt. Ob er im Prozess gegen den Schützen als Zeuge auftreten kann, hängt nach Einschätzu­ng seiner Anwältin Marion Zech davon ab, wie sich sein Gesundheit­szustand entwickelt. Das Verfahren soll vor dem Landgerich­t stattfinde­n, einen Termin dafür gibt es aber noch nicht. Eine Gutachteri­n soll zuvor noch klären, ob die Schussverl­etzungen im Kopf zu einer der beiden Schilderun­gen der Beteiligte­n zusammenpa­ssen. Vermutunge­n, wonach Florian P. vor dem geplanten Waffengesc­häft zum Islam konvertier­t sei und er sich dabei radikalisi­ert habe, widerspric­ht die Anwältin. Er habe damit keine Straftaten geplant. *Name geändert

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