Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Viel Gefühl für das Reifenmonster
Wald Mit einem Spezialfahrzeug wird der tonnenschwere Stamm einer etwa 100 Jahre alten Douglasie aus dem Wald nahe des Weiherhofs gezogen. Jetzt steht dem Baum die erste große Reise bevor / Serie (3)
Gessertshausen Weiherhof Fast geräuschlos läuft die Winde an. Ein kleiner Ruck, und das Stahlseil zieht den tonnenschweren Baumstamm bis auf wenige Zentimeter an die Rückemaschine heran. Mit ihr bringt Walter Pfänder in wenigen Minuten das kostbare Holz aus dem Wald. Es knackt, als die Monsterreifen des Spezialfahrzeugs mit seinen 130 PS langsam über die Äste fahren. Im Schneckentempo zieht die Rückemaschine die Douglasie hinter sich her – zumindest das zehn Meter lange Stück, das für die Wertholzsubmission vorgesehen ist. So heißt die Versteigerung auf dem ehemaligen Militärgelände bei Leipheim, die in einigen Wochen stattfindet. Hunderte Stämme aus ganz Schwaben werden in den nächsten Tagen dorthin gebracht und können dann begutachtet werden.
Interessenten geben anschließend ihre Gebote ab. Wer den höchsten Preis nennt, bekommt den Zuschlag. Je nach Holzart, Qualität und auch Volumen geht es um viel Geld. Schließlich steht besonderes Holz hoch im Kurs. Aus den edlen Stämmen werden später einmal Musikinstrumente, Möbelstücke oder auch feines Furnier, das zum Beispiel Nobelkarossen oder Luxusyachten eine unverwechselbare Optik verleiht. Ob auch die Douglasie aus dem Kreuzholz nahe dem Weiherhof einmal die Cocktailbar auf dem Superkreuzer eines russischen Multimillionärs ziert?
Wohin die Reise geht, steht erst in einigen Woche nach der Submis- sion fest. Bis dahin ist es noch einer weiter Weg. Steinig ist er auch – aber nur ein wenig an diesem Morgen. Die Witterung hat den Untergrund etwas aufgeweicht. Zum Glück.
Problemlos rutscht der Stamm am Stahlseil über den Waldboden. Bis zu einer Engstelle. Dort muss Walter Pfänder sein ganzes Können zeigen: Zwischen einer Buche und einer Fichte, die drei Meter voneinander trennt, muss er die Rückemaschine und den Stamm manövrieren und gleichzeitig zur Linkskurve einschlagen.
Revierförster Martin Pohl und Hubert Droste, der Leiter des zuständigen Forstbetriebs Zusmarshausen, halten die Luft an. Doch kein Grund zur Sorge: Fast spielerisch zieht Pfänder den Baum ums scharfe Eck. „Das ist seine Erfahrung“, sagt Droste und atmet auf.
Seit Anfang der 1970er-Jahre arbeitet Walter Pfänder mit dem Forst zusammen. Fast jeden Tag ist er draußen im Wald. Er ist kein Mann der großen Worte. Niemand muss ihm sagen, worum es geht. Das weiß er am besten: „Der Stamm sollte möglichst unversehrt bleiben.“Er bleibt es, als ihn Pfänder am Forstweg vom Seil nimmt. Dort wird die Douglasie in den kommenden Tagen auf einen Sattelschlepper verladen. Der hat hoffentlich genügend Kapazitäten für den schätzungsweise sechs Tonnen schweren Stamm – sonst könnte das passieren, was Revierförster Martin Pohl schon erlebt hatte.
Eine Esche mit einem Durchmesser von fast einem Meter konnte nicht abtransportiert werden, weil sie zu schwer war. Was tun? Der Stamm wurde halbiert. Pohl: „Da blutet jedem Förster das Herz.“
O Serie In der nächsten Folge geht es um die Wertholzsubmission. Wer noch einmal erleben will, wie die etwa 100 Jah re alte Douglasie gefällt wurde: Im In ternet findet sich unter www.augsburger allgemeine.de/augsburg land ein Vi deo von der Aktion.