Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine Woche elektrisch pendeln
Elektromobilität Rund 100 Kilometer fährt unser Autor täglich zur Arbeit und zurück. Für einen Selbstversuch hat er seinen Wagen mit Verbrennungsmotor gegen ein E-Auto getauscht
Mit der Heizung ist es so eine Sache. Im Handbuch des Elektro-Smart ist eine Reichweite von 145 Kilometern angegeben. Es ist kein ganz aktuelles Modell, die neueren kommen weiter. Bei den aktuellen Temperaturen – noch vor dem Wintereinbruch – zeigt das Elektroauto mit vollem Akku gerade einmal 100 Kilometer an. Es ist der Idealwert bei sparsamer Fahrweise, ohne Heizung, ohne Licht, ohne Radio. Schaltet man die Heizung an, springt die Reichweitenanzeige direkt auf 90 Kilometer. Bei meiner Fahrtweise benötige ich mit angeschalteter Heizung etwa 70 Prozent der Akkukapazität für die Fahrt zur Arbeit. Von meiner Wohnung in der Augsburger Innenstadt aus sind es 53 Kilometer bis zur Redaktion der Donau-Zeitung, der Lokalausgabe der Augsburger Allgemeinen im Landkreis Dillingen.
Eine Woche lang teste ich ein Elektroauto der Donau-Stadtwerke Dillingen-Lauingen auf meiner Pendlerstrecke zur Arbeit und für Fahrten auf Termine. Und? Das Auto beschleunigt besser als mein Privatwagen, ein Golf IV. Lastwagen auf der Landstraße zu überholen war für mich nie leichter. Auf der Autobahn ist bei 130 Stundenkilometern Schluss, aber das reicht aus, finde ich. Gänge hat der Elektromotor nicht, deshalb gibt es kein Kupplungspedal. Der Wagen ist leise. So ruhig, dass man in der Stadt besonders aufpassen muss. Passanten, die auf ihr Smartphone schauen, nehmen den Wagen überhaupt nicht wahr. Besonders deutlich wird das, als ich in Dillingen einparken möchte, als die Kinder gerade aus der Schule nebenan strömen. Sie sind es gewohnt, dass Motorengeräusche ein Auto ankündigen.
Was auch anders ist: das Tanken, beziehungsweise Laden. Zum Beispiel in Augsburg. Die Ladestation im Parkhaus der City-Galerie nicht zu finden, ist nahezu unmöglich. Bis zum Parkdeck 2B passiert der E-Smart mindestens ein halbes Dutzend Schilder. Schick sehen sie aus, die Ladesäulen der Stadtwerke Augsburg. Auf dem blau markierten Boden sind grüne Stecker-Symbole zu sehen. Um die Ladepunkte zu aktivieren gibt es mehrere Möglichkeiten. Wer regelmäßig bei den Stadtwerken sein Auto laden möchte, kann sich eine Kundenkarte holen und ein Abo abschließen. Bei einer Laufzeit von einem Jahr kostet das 30 Euro pro Monat, dann kann man so viel laden, wie man möchte.
Weil ich den Wagen nur eine Woche teste, möchte ich kein Abo abschließen, sondern nur einmal in der City-Galerie laden. Das ist teuer, teurer sogar als Benzin. Aktivieren muss ich die Säule in diesem Fall über das Smartphone, ich bezahle per Internet-Bezahldienst Paypal. Bei den Stadtwerken gibt es eine Grundgebühr von 3,50 Euro, dann sind die Preise gestaffelt. Wählen kann man zwischen einer, zwei, drei, vier und acht Stunden. Ich lade vier Stunden für 11 Euro, dann ist der Akku voll. Hinzu kommen die Gebühren für das Parkhaus.
Die SWA betreiben auch Ladepunkte außerhalb von kostenpflichtigen Garagen. Ich habe zu Hause keine eigene Garage und damit keine Möglichkeit, das Auto zu laden. Deshalb bin ich auf eine Lademöglichkeit in der Nähe meiner Wohnung angewiesen. Denn es reicht nicht aus, den Wagen während der Arbeitszeit in Dillingen zu laden.
In der Testwoche muss ich mir immer überlegen, wo ich das Auto zum nächsten Mal anstecke. Im Landkreis Dillingen ist das erstaunlich einfach. Zehn Gehminuten von der Redaktion entfernt betreiben die Donau-Stadtwerke eine Ladesäule mit zwei Stellplätzen. Dort ist das Laden aktuell noch kostenlos. Das macht die Sache einfacher.
Zumindest, wenn der Ladepunkt nicht belegt ist. Einmal waren andere schneller, dann war Kreativität gefragt. Das Elektroauto lässt sich auch über eine gewöhnliche Haushaltssteckdose laden. Die Redaktion in Dillingen ist ebenerdig. Ich parke direkt vor dem Fenster, durch das angelehnte Bürofenster stecke ich das Kabel. Das Auto lädt. Nur eben langsamer als an einer Ladebox.
Das führt dazu, dass ich bei meinem Test einmal mogele. Abends weiche ich auf den Dienstwagen mit Verbrennungsmotor aus. Denn im nördlichen Landkreis findet eine Bürgerversammlung statt. Von der Redaktion zur Versammlung und dann zurück nach Augsburg – zusammen sind das fast 90 Kilometer. Als ich losfahren will, zeigt das Auto nach sechs Stunden Laden erst 95 Prozent an. Ich sehe mich schon auf der B2 stehen bleiben. Letztendlich traue ich mich nicht, mit dem E-Auto zu fahren. Ohne Heizung könnte es funktionieren, doch es ist zu knapp.
Das ermöglicht immerhin den direkten Vergleich der beiden Autos. Als ich den Dienstwagen starte, kommt er mir unglaublich laut vor, außerdem ruckelt er seltsam. An der ersten Ampel würge ich ihn beinahe ab – ich habe vergessen, die Kupplung zu drücken. Ich habe mich schnell an den leisen, ruckelfreien Automatik-Elektromotor gewöhnt. Der Dienstwagen ist angenehm warm, weil ich die Heizung hemmungslos auf die höchste Stufe stelle. Als ich nach dem Termin für die Heimfahrt wieder in das Elektroauto steige, fällt mir wieder die gute Beschleunigung auf. Wenn das Gaspedal fast ganz durchgedrückt ist, gibt es einen leichten Widerstand. Drückt man weiter, aktiviert man den sogenannten Kick-Down und beschleunigt noch stärker. Allerdings springt die Nadel der Anzeige auf 100 Prozent Akkuauslastung. So ein Überholvorgang frisst Strom.
Zu Hause lade ich dieses Mal bei den Lechwerken. Der Parkplatz des Textilmuseums ist durchgehend geöffnet, dort gibt es einen Ladepunkt. Die LEW-Stationen lassen sich über die Smartphone–App E-Charge aktivieren. Bei den LEW gibt es einen Vertrag für ein ganzes Jahr, dieser kostet 350 Euro. Wer aber nur einmal laden möchte, zahlt 4,95 Euro pro Stunde mit 16 Kilowattstunden Ladeleistung. Der Schnelllademodus mit doppelter Stromstärke kostet 7,95 Euro. Für eine ganze Akkufüllung des Smarts muss ich mit 15 bis 20 Euro rechnen – zur Erinnerung: für weniger als 100 Kilometer.
Ein Elektroauto bedeutet aktuell, nicht so flexibel zu sein wie mit einem Verbrennungsmotor. Fahrer von konventionellen Autos können zur Tankstelle fahren, sind nach fünf Minuten zurück auf der Straße und fahren dann ohne Probleme 500 Kilometer. Mit dem elektrischen Antrieb brauche ich deutlich mehr Zeit zum Laden.
Komme ich nach dem Abendtermin nach Hause?