Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Minimalistisch, mitreißend, mutig
Konzert „Mehr Musik!“schafft es wieder, junge Musiker mit Profis der Klassik-, Jazz- und Neue-Musik-Szene zusammenzubringen
Minimal Music gefällt eigentlich jedem. Das ist ein bisschen wie mit den Beatles, man kann sich der musikalischen Bedeutung nicht entziehen. Und wenn man dann tiefer in die Materie eintaucht, findet man, seinen persönlichen Sympathien entsprechend, irgendwo seinen Platz in der Musik. Manches ist aberwitzig und einfach nur großartig, manches erscheint aber auch erst einmal belanglos und einfach.
In jedem Fall bietet dieses hochinteressante Genre, das sich in den 1960er Jahren innerhalb der Neuen Musik konstituiert hat, alle Varianten der Wertschätzung für ein breites Publikum. Die Stücke sind mal erschreckend einfach und dann wieder haarsträubend kompliziert zu spielen und tragen immer die einfachen Aussagen des Minimalismus in sich.
Mit musikalischem Fokus auf einen der bekanntesten MinimalKomponisten Philip Glass, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feierte, wurden am Donnerstagabend acht Stücke dieses Genres vor begeistertem Publikum aufgeführt. Dabei wurde dem jungen Pianisten Shenglong Li die Ehre zuteil, drei Solokompositionen des Amerikaners vorzutragen, was der aus China stammende, am Augsburger LMZ studierende Musiker hervorragend meisterte. Außerdem wurden Werke von Steve Reich, Arvo Pärt und Frederic Anthony Rzewski präsentiert.
Letzterer hatte nach dem spektakulären Gefängnisaufstand von Attica im US-Bundesstaat New York im Jahr 1971 ein von Briefen eines Häftlings inspiriertes, ergreifendes Musikstück für Stimme und variables Ensemble geschrieben, das Iris Lichtinger mit ihren Mitmusikern Jan Kiesewetter, Rene Haderer, Tom Jahn, Shenglong Li, Moritz Knapp und Lennart Pieper in intensiven 25 Minuten mitreißend darbot.
Der eigentliche Höhepunkt war allerdings die Komposition „Fratres“des estnischen Komponisten Arvo Pärt, aufgeführt vom Schlagwerk-Ensemble des Leopold-Mozart-Zentrums unter der Leitung von Stefan Blum. So muss diese Musik klingen. Krasse tonale Gegensätze (tiefe Basstrommel plus hochtonige Clave) treffen auf bordun-artig-wabernde Marimba-Quinten und weitere Stabspielinstrumente, mal virtuos solistisch präsentiert, mal vertrackt verschachtelt rhythmisiert.
Das Konzept, die vielen verschiedenen Besetzungen im großen Aufführungsort des Museums zu verteilen und das Publikum somit in Bewegung zu halten, ging total auf. Dies war eine fantastische Idee der Kuratorin des Abends, Ute Legner. Der Abend war eine tolle Weiterführung der letztjährigen, vielgefeierten Aufführung von Steve Reichs „Music for 18 Musicians“. Man darf gespannt sein, was sich Mehr Musik! für das nächste Jahr ausdenkt, wenn Frederic Anthony Rzewski 80 Jahre alt wird.
Inspiriert durch einen Gefängnisaufstand