Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Weit weg vom „Elbphilharmonie-Debakel“
Debatte Die finanziellen Reserven für Theater- und Bahnhofsumbau sind ausgereizt. Ein Drama ist das aus derzeitiger Sicht noch nicht. Manche Fehler allerdings sollte die Stadt nicht noch einmal machen
Der Gotthard-Basistunnel ist nicht nur aufgrund seiner Dimensionen ein Jahrhundertprojekt. Er ist es auch deshalb, weil die Schweizer es schafften, den anfänglich noch leicht korrigierten Kostenplan vom Jahr 2008 an bis zur Eröffnung 2016 einzuhalten. Vom Zeitplan gar nicht zu reden: Er wurde um ein Jahr unterboten.
Die Sanierung eines alten Industriegebäudes sowie ein Neubau daneben wirkt im Vergleich zum Gotthard-Tunnel wie das Lego-Projekt eines Zwölfjährigen. Das ist nun sehr überspitzt dargestellt, aber so recht kann eben niemand verstehen, warum der überschaubare Umbau des Ofenhauses auf dem Augsburger Gaswerk-Areal nicht rechtzeitig zum Theater-Saisonstart im September 2018 gelingt.
Die Abweichung vom Zeitplan wurde in dieser Woche eher beiläufig bekannt – in einem ungünstigen Moment. Denn gleichzeitig musste die Stadt eingestehen, dass die finanziellen Reserven bei ihren beiden Großprojekten Hauptbahnhof und Theater langsam dahinschmelzen. 193 Millionen Euro sind aktuell für die Untertunnelung des Bahnhofs vorgesehen, 186 Millionen für die Neuordnung des Theaters. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Grenzen gerissen werden.
Hauptgrund für die Verteuerung sind steigende Baukosten. Überraschend ist das nicht: Dass sich Baupreise im Verlauf eines mehrjährigen Projektes erhöhen, ist marktwirtschaftliche Normalität. Man fragt sich aber, warum Stadt und Stadtwerke als Bauherren nicht von Anfang an offensiver darauf hinwiesen. Und es gibt einen zweibracht, ten kritikwürdigen Punkt: Beim Theater wurden den Bürgern zunächst nur die Kosten für die Sanierung des Großen Hauses und den Neubau präsentiert. Dass zusätzlich hohe Summen in Einrichtung und Miete von Übergangsbühnen fließen würden, kommunizierte man erst viel später. Wer den Bürgern solche Fakten scheibchenweise präsentiert, muss sich nicht wundern, wenn sie das Vertrauen in Kalkulationen verlieren.
Eines muss man aber auch sagen: Augsburg ist weit von einem „Elbphilharmonie-Debakel“entfernt. Die hiesigen Projekte sind bislang nicht aus dem Ruder gelaufen, sie haben sich nicht – wie von Kritikern vorhergesagt – zu „Millionengräbern“entwickelt. Das Wort „Grab“ist hier ohnehin nicht angenicht weil das Geld nicht versenkt wird: Einen Hauptbahnhof ohne behindertengerechte Zugänge und adäquate Tramanbindung kann Augsburg im 21. Jahrhundert niemandem vermitteln. Ein Theater, das unter den Augen aller wegbröckelt, auch nicht. Trotz der enormen finanziellen Herausforderung sollte man beide Projekte also als das sehen, was sie vor allem sind: Investitionen in die Zukunft einer Stadt, die auf 300 000 Einwohner zusteuert. Und es ist ja auch so, dass anderweitig Stillstand herrscht: Im nächsten Jahr investiert Augsburg in den behindertengerechten Umbau des Standesamtes (der seit Jahren gefordert wird) und in die Sanierung von Schulen. Geld ist auch für die Entwicklung der Stadtteile und die Schaffung neuer Kita-Plätze da. Die Stadtregierung ist redlich bemüht, beim Bürger gar nicht erst das Gefühl aufkommen zu lassen, man habe sich mit Theater und Bahnhof finanziell lahmgelegt.
Trotzdem müssen Oberbürgermeister Kurt Gribl und seine Referenten Kosten und Zeitplan intensiv im Auge behalten, denn Augsburg ist schon jetzt hoch verschuldet. Allein durch die Verzögerung am Gaskessel wird die Theatersanierung wieder teurer; die neue Ersatzspielstätte will bezahlt sein. Gut möglich, dass auch der Rest der Maßnahme langsamer laufen wird, als sich die Bauherren das wünschen. Darauf schließen lässt schon, dass der Neubau auf archäologisch brisantem Grund entsteht.
Die Stadt wird sich früh überlegen müssen, wie sie im Fall steigender Kosten reagiert. Beim Theater ist ein möglicher Weg vorgegeben: Man werde dann, ließen die Politiker diese Woche durchblicken, beim Neubau sparen. Aber ist dies tatsächlich so einfach? Und, wenn ja: Warum wurde dann nicht von Beginn an günstiger geplant? Die Bürger haben aktuell keinen Einfluss auf die Entwicklung. Sie müssen abwarten – und hoffen, dass die Stadt sich eher ein Beispiel an der Schweiz nimmt als an Hamburg.
Eine Verzögerung bedeutet auch höhere Kosten