Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn Wohnen zu einem Problem wird
Bewegung ins Umland. Augsburg spürte Ausweicheffekte aus München wegen des dortigen Immobilienangebots und der Preise. „Möglicherweise kommt es jetzt innerhalb der Region zu solchen Effekten, nämlich dass Randgebiete und Lagen weiter draußen interessanter werden. Voraussetzung ist, dass es eine gute Verkehrsanbindung gibt.“
Wie es in Augsburg mit dem Bevölkerungswachstum weitergeht, ist unklar. Um einen eindeutigen Trend festzustellen, müsse man zumindest das Ende des Jahres abwarten, sagt Sebastian Schneid vom Statistikamt. 2018 will die Behörde eine neue Bevölkerungsprognose berechnen. Interessant dürfte dann auch eine Analyse der Zuzügler sein. Auffällig ist, dass die Zuzügler in diesem Jahr fast ausschließlich EUAusländer waren – im Saldo waren es gerade um die 80 deutsche Staatsbürger, um die Augsburg seit Jahresanfang gewachsen ist.
Unabhängig von der Nationalität war bisher davon auszugehen, dass die Marke von 300 000 Einwohnern im Jahr 2019 überschritten wird – im Anschluss sollte sich der Zuwachs stark abflachen. Ob diese Aussage noch Gültigkeit hat, ist unklar – die 300000-Marke wäre mit den neuesten Entwicklungen allenfalls zum Jahresende 2019 erreichbar. Mit in die Berechnung fließen die Werte der vergangenen Jahre, aber auch die Zahl der zu erwartenden Wohnungsneubauten mit ein.
Die Stadt hat in den vergangenen zwei Jahren etliche BebauungsplanVerfahren auf den Weg gebracht, um neue Wohngebiete zu schaffen. Abgesehen vom Martinipark und dem Ladehof am Bahnhof, wo aktuell schon gebaut wird, sind viele Flächen aber noch in der Planung oder werden erst in Kürze baureif sein.
Die Stadt ist nicht der Meinung, die Schaffung neuer Baugebiete zu spät angegangen zu sein. „Zielrichtung meiner Politik war schon immer organisches Wachstum, nicht Wachstum um jeden Preis“, sagt Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU). Ein überhitztes Wachstum bringe Probleme für die Infrastruktur, aber auch für den innergesellschaftlichen Frieden. „In München gibt es Gebiete, wo von der Bevölkerung nicht akzeptiert wird, wenn nebenan ein neues Baugebiet entstehen soll“, sagt Baureferent Gerd Merkle. Schulen und Kitas müssten nachwachsen. »Kommentar
Der Trend, dass Augsburg in den vergangenen Jahren gewachsen ist, ist erfreulich. Es gibt Regionen in Deutschland, die mit Einwohnerschwund und den damit einhergehenden Problemen zu kämpfen haben. Dort muss man sich damit beschäftigen, wie man Flächen nutzt, auf denen leer stehende Wohnblöcke abgerissen werden. In Augsburg ist das Gegenteil der Fall. Flächen für Wohnbau fehlen momentan. Die Kehrseite des Wachstums ist der enger werdende Wohnungsmarkt.
Die Botschaft der Stadt, dass man kein „überhitztes Wachstum“wolle, ist grundsätzlich richtig. Ein überschießendes Wachstum sorgt für ein Verkehrschaos, Gerangel um Kita-Plätze, Wohnungsnot und und und – ein Blick nach München genügt. Die Lebensqualität leidet in solchen Boom-Regionen, weil die Ressourcen knapp werden.
Es wäre aber ein zweischneidiges Schwert, wenn man glaubt, das Wachstum einer Region über die Stellschraube Wohnungsmarkt regulieren zu können. Zuzug kann zwar nur stattfinden, wenn es Wohnungen gibt, in denen die Neubürger leben können. Für die, die schon da sind, ist ein heißgelaufener Wohnungsmarkt aber eine schwierige Situation, die manche sogar in existenzielle Not bringen kann.